Am Mittwoch, 23. November waren die EWR/EFTA-Staaten zum ersten Mal Gastgeber des sonst von der EU ausgerichteten EWR-Rats im neu eingeweihten EFTA-Haus in Brüssel. Im EWR-Rat treffen die Aussenministerinnen der EWR/EFTA-Staaten zwei Mal jährlich auf Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft sowie der EU-Kommission, um das Funktionieren des EWR-Abkommens zu prüfen und dessen politische Entwicklung zu bestimmen. Ein Schwerpunkt des November-Treffens lag insbesondere auf der andauernden Energiekrise. Zudem tauschte man sich mit dem Auswärtigen Dienst der EU im Rahmen des Politischen Dialogs über die gemeinsamen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus.
Auswirkungen der Energiekrise auf den Europäischen Wirtschaftsraum
Der 55. EWR-Rat stand ganz im Zeichen der Zusammenarbeit zwischen der EU und den EWR/EFTA-Staaten in Zeiten der Krise und ihrer Chancen. Diskutiert wurde insbesondere, wie die Verbesserung der europäischen Energiesicherheit der Energiewende Rückenwind verschaffen kann. Liechtenstein, Island und Norwegen sind aufgrund ihrer EWR-Mitgliedschaft teilweise in die EU-Energiegesetzgebung eingebunden. Die Massnahmen, die die EU in den vergangenen Wochen im Notfallmodus getroffen hatte, um die Öl- und Gaspreise in den Griff zu bekommen, etwa entsprechende Sparziele, sind für die drei EWR/EFTA-Staaten zwar nicht verbindlich, wirken sich aufgrund deren engen wirtschaftlichen Verknüpfung mit dem europäischen Energiemarkt aber dennoch auf sie aus. Liechtenstein stellte im Rahmen des Austauschs sein Engagement im Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere im Bereich der Photovoltaik, vor und bewarb eine verstärkte Integration der europäischen Energiemärkte.
Liechtensteinische Prioritäten im Finanzdienstleistungsbereich
Der Austausch mit der EU konnte auch genutzt werden, um auf liechtensteinische Prioritäten im Finanzdienstleistungssektor aufmerksam zu machen. Als Pionier in der Blockchain-Gesetzgebung ist es Liechtenstein ein besonderes Anliegen, dass der neue EU-Vorschlag zur Regulierung von Märkten für Kryptowerte (MiCA) in den EWR/EFTA-Staaten zeitgleich mit der EU in Kraft tritt. Der Entwurf für einen neuen EU-Rechtsakt sieht u.a. vor, dass nur juristische Personen, die von der jeweils zuständigen nationalen Behörde eine Zulassung als Krypto-Asset Service Provider gemäss MiCA erhalten haben, Dienstleistungen im Bereich Krypto-Assets erbringen dürfen. Eine MiCA-konforme Zulassung würde gemäss einem sogenannten „Passporting“-Mechanismus für den gesamten EWR gelten. Damit dieser „Passport“ liechtensteinischen Unternehmen zum selben Zeitpunkt zur Verfügung steht wie EU-Unternehmen, ist das zeitgleiche Inkrafttreten des künftigen Rechtsakts im EWR-Abkommen für Liechtenstein von grossem Interesse.
Treffen mit EFTA-Parlamentariern, -Wirtschafts- und Sozialausschüssen sowie dem Auswärtigen Dienst der EU
Im Rahmen des alljährlichen Austauschs mit den EFTA-Parlamentariern und dem Beratenden EFTA-Ausschuss (Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen) stellten sich die VertreterInnen der EWR/EFTA-Staaten Fragen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, der Digitalen Agenda sowie dem Grünen Wandel. Die beiden Gremien haben im EWR-Übernahmeverfahren beratende Funktion gegenüber der Exekutive und leisten einen wichtigen Beitrag zur demokratischen, sozialen und wirtschaftlichen Verankerung des EWR in den drei EWR/EFTA-Staaten. Liechtenstein wird in den zwei Gremien von den Landtagsabgeordneten Daniel Seger und Günter Vogt beziehungsweise von der Geschäftsführerin der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer, Brigitte Haas, und dem Geschäftsführer des Liechtensteinischer ArbeitnehmerInnenverbands, Sigi Langenbahn, vertreten.
Der am Rande des EWR-Rats stets stattfindende Politische Dialog mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst, bei dem sich die EWR/EFTA-Staaten mit dem diplomatischen Dienst der EU über gemeinsame aussenpolitische Prioritäten austauschen, stand ganz im Zeichen des Ukrainekriegs. Diskutiert wurden die weitreichenden Folgen des Kriegs, etwa auch in den Bereichen Cybersicherheit und Schutz kritischer Infrastrukturen. Die EU begrüsste den autonomen Nachvollzug der EU-Sanktionen gegen Russland in Liechtenstein und würdigte Liechtensteins Engagement im humanitären Bereich sowie in der Aufnahme und Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine.