Fulminant. Zum mittlerweile dritten Mal beehrte der deutsche Meister des Klavierkabaretts Bodo Wartke das TAK in Schaan. Mit seinem Programm „Wandelmut“ bescherte er vergnügte Stunden mit viel Wortwitz und Kopfkino.
Von Bandi Koeck
Ein in Nebel getauchter Bühnenspot beleuchtet den schwarzen Flügel, der inmitten der Bühne steht. Das Theater am Kirchplatz ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Als Bodo Wartke in seinem roten Anzug erscheint, erntet er Applaus und setzt sich in gewohnter Manier an den Flügel. Wohl keiner seiner vielen Songs würde sich passender als Ouvertüre eignen als „Sind Sie nicht?“. Die vergangenen zwei Jahre waren recht ruhig um den Ausnahmekünstler, ausser einigen Zoom-Konzerten, bei der er viel über Inneneinrichtung und Haustiere seiner Gäste erfahren habe, gab es keine Live-Shows mehr. Wartkes Bewegungsradius ist in seinem aktuellen Kabarettprogramm erweitert, da er nicht ständig an den Tasten sitzt, sondern zum Bühnenrand kommt und dort wie ein Musterschüler fleissig einstudierte Gedichte und Schüttelreime – natürlich aus seiner Feder – vorträgt. Er habe sich Gedanken gemacht, wie es bei „Fischers Fritz“ und „Brautkleid bleibt Brautkleid“ weiter geht. Seine Fortsetzungen sind beeindruckend und amüsant. Obwohl in Deutschland niemand „Dr Papscht hot z`Spiez s`Speckbsteck z`spot bstellt“ kennen würde, so war es hierzulande allen geläufig. Und Bodos fantastische Fortsetzung ein richtiger Kalauer. Es folgten Vier- und Zweizeiler. Dieser sei für Liechtenstein gemacht: „Wir sassen an der Feuerstelle und sprachen über ein paar Steuerfälle“.
Tanzen auf dem Inzidenzfloor
Politisch unkorrekt, gewohnt religions- und gesellschaftskritisch und kein leichter Tobak sowie nichts für eine kurze Konzentrationsspanne, das ist Bodo und seine Texte. „Nicht in meinem Namen“ soll mehr zur Völkerverständigung beitragen und hinterfragt gekonnt jede Form von religiöser Indoktrination und Morden im Namen Gottes. Bodo war bei seinem dritten Auftritt in Liechtenstein sehr wortselig, es entstand der Eindruck, als ob sich während der Pandemiezeit bei ihm einiges angestaut hatte und er jetzt so viel zu sagen hat. Besonders die gepflegte und äusserst versierte Sprache dieses Wortwitzakrobaten, der Reime wie ein Wasserfall runtersprudelt, während er elegant die weissen und schwarzen Tasten drückt, sind faszinierend. Passend zum Stück wechselte Wartke nach der Pause auch seinen Anzug und erschien ganz in grün, so wie das sonst nur ein Thomas Gottschalk machen würde. Die Themen seiner Darbietungen waren Umweltschutz, Klimawandel, ausreichend Platz in der Kita, sozial gerechter Wohnbau, gegen Religionssoldaten und die Vorurteile. Der Liedermacher und Schauspieler rief in „Insekten Part 2“ sogar dazu auf, die Insekten zu retten – das hörte sich in der Vergangenheit schon mal ganz anders an. Mit dabei war auch seine hölzerne Beatbox alias Cajón und zwei dicke gelbe Eier, die er sich in die grauen Socken steckte. Mit viel swag wurde der „Gangsterschlager“ präsentiert – mitsamt Mic Drop am Schluss. So ein Gangsterrapkonzert sei auch nicht viel anders als beim Kasperltheater mit Seppls als Backup-MC und den Bullen als Krokodil. „Ludwig van Beethoven hat ein ähnliches Schicksal wie mich ereilt, er musste coronabedingt mehrere Auftritte absagen.“ So die Ansage, bevor ein Medley bestehend aus Mondscheinsonate, für Elise bis zur kleinen Nachtmusik von W.A. Mozart folgte. Er wolle klassische Musik nur etwas tanzbarer machen, schliesslich wisse man nicht, wie lange wir uns noch auf dem „Inzidenzfloor“ treffen dürfen.
Trennung von Kirche und Staat
Ein weiteres Medley widmete er seinem Sohn: „Der neue Job“. Darin kommen Vaterfreuden wie Windelwechseln und Einschlafprobleme zum Ausdruck. Zum Schluss des zweistündigen Ohrenschmaus gab es Bodo Wartkes wohl gelungenster, tiefgründigster und klarster Song: „Land in dem ich leben will“. Die Kernbotschaft darin lautet, dass Kirche und Staat getrennt sein müssten (was ja auch in Liechtenstein schon lange Thema ist), denn „je mehr wir wissen, desto weniger müssen wir glauben!“ Der Song ist eine klare Ansage an alle religiösen Fundamentalisten, Holocaust- und Klimaleugner und Schwurbler und wirkt wie die UN Charta der Menschenrechte, das Hohelied der Liebe oder eine Unabhängigkeitserklärung eines zuvor kolonialisierten Staates. Dafür erntete Wartke tosenden Applaus – ein mancher hätte ihn wohl am liebsten mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Bei der ersten von insgesamt drei Zugaben gab es nach „Pusten, Aua weg!“ Standing Ovations. Dann gab es ein lange nicht mehr gespieltes, schwarzhumoriges Liebeslied namens „Der blaue Engel“, bevor Wartke den berühmtesten Popsong der 80er, den er zu einem Schlaflied umgebaut hätte, zum Besten gab: Michael Jacksons Billie Jean sowie Bad. Und dann hiess es: Ab ins Bett! Chapeau und hoffentlich sehr bald wieder!