Im vergangenen Jahr hat der Verein KunstVorarlberg mit Sitz in Feldkirch neun neue Mitglieder aufgenommen, die sieben Positionen zur Malerei (Reinhard Hegenbart, Margot Carmen Lins, Gerhard Rasser, David Salzgeber, Elena Schertler, Regina W. Stadler, Renate Wittwer), und je eine zur Bildhauerei (Andrea Maria Bauer) und zur Zeichnung/Grafik (Gabriele Bösch) vertreten.
In Raum eins des Forums für aktuelle Kunst in der Villa Claudia in Feldkirch zeigt Reinhard Hegenbart das Startbild zu einer fünfteiligen Serie mit dem Titel „cayman“. Der ursprüngliche und noch immer aktive Comiczeichner bedient sich dabei kontrastierender Formen. Was wie mittelblaue Seen anmutet, könnte für jene Teiche stehen, in denen Geld auf den Cayman-Inseln verschwindet. Am rechten unteren Rand leuchtet in hellrot ein Quadrat, das als Symbol für die Briefkastenfirmen gelten könnte. Wie Blendenflecken in einer Fotografie überziehen pastellfarbene Punkte und Prismen das Bild.
Während Hegenbart offensichtliche, gesellschaftsrelevante Fragen stellt, sind die Fragen in Renate Wittwers Bildern bereits in abstrakte Erzählungen übergegangen, die still, in mehreren Schichten Acryl aufgetragen werden und mit japanischem Filz unterlegt sind. Die Betrachter:innen sind eingeladen, eigene Deutungen und Interpretationen zu finden und den mitunter erscheinenden Figuren in den in gleichen Formaten gehaltenen Bildern ins Auge zu sehen.
Die erst 17jährige Elena Schertler hat schon zehn Ausstellungen aufzuweisen, zuletzt hat sie im Theater Kosmos eine Einzelausstellung unter dem Titel „Königinnen“ gezeigt. Generationenkonflikte, Politik und Umwelt zählen zu ihren Themen, wie in Raum zwei der Villa Claudia zu erschließen ist. Mit Vorliebe setzt sie ihre Themen anhand von Porträts um, in denen sie Zeitgeist und Lebenswirklichkeit einfängt. Aus der Tatsache, dass wir in einem Umbruch leben, schöpft sie die Inspirationen, um „wild und ungezähmt“ zu malen.
Landschaften einmal anders
Im dritten Raum sind Malereien zu sehen, die Stille, Einsamkeit und die Weite des Raumes thematisieren. Gerhard Rasser schafft minimalistisch weite Landschaften in Mischtechnik, wobei die Landschaft deutlich überhöht wird: Nach chinesischer Maltradition wird der Leerraum selbst als Raum begriffen. In diese Räume der Stille stellt Rasser jedoch immer wieder detailgetreu Menschen, die sich dieser Leere aussetzen oder sich ihr stellen. Vögel symbolisieren unendliche Freiheit, beobachten zugleich den Menschen. Sonnen erscheinen wie aufgeklebt, Bäume sind meist Zeichen der Vergänglichkeit. Geht der Mensch über Wasser oder sind Zeiten parallel erfasst in diesen surreal anmutenden Bildern, ist in den Werken zu erfragen.
Bei David Salzgeber ist der Mensch vollkommen aus den Landschaften verschwunden – oder es gibt ihn noch nicht. Auch kein Vogel ist in seinen apokalyptischen Landschaften zu sehen, in denen die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft sich zu steilen Bergen, tiefen Gewässern und turbulenten Wolkenformationen arrangieren: ein Ringen zwischen Licht und Finsternis in Öl auf Leinwand. Das Licht scheint zu gewinnen.
Carmen Margot Lins, die sich seit 40 Jahren mit Malerei beschäftigt, hat sich in den letzten Jahren der Pastellkreide verschrieben. Sie zeigt in Raum vier Landschaften in besonderer Farbtiefe. Im Zusammenspiel von Licht und Witterung entsteht durch das Einbeziehen der eigenen Stimmung eine Dynamik der Farbabstufungen, die expressiv an der Abstraktion festhält und doch das Gegenständliche nicht vermissen lässt – sie „überzeichnet“ ihr Sehen mit Farben.
Balanceakte
Ebenso einen Balanceakt zwischen Abstraktion und Gegenstand zeigt Regina W. Stadler in ihren großformatigen Acrylmalereien, deren Bildideen aus Fotografien entstammen. Lebendigkeit und Ausdruck, gestische Inszenierungen faszinieren die Künstlerin. Mit schnellem Pinselstrich wird die Farbe aufgetragen. Schicht für Schicht werden die Bilder übermalt. Das, was als Ausschnitt einer spontanen Wirklichkeit ursprünglich ideengebend war, erfährt Erweiterung und Vertiefung durch diesen Tanz um Farbe, Form und Linie.
Einmal fast schwebend, dann wieder an deutlich sichtbare Grenzen aus Stahl gekettet, formt Andrea Maria Bauer menschliche Körper aus Stahl, Beton, Heu, Asche, Tonresten, Nägeln, Zellulose und anderen Fundstücken. Manchmal sind die Antlitze zu diesen Körpern fein ziseliert, dann wieder grob in Auflösung begriffen. Zwischen Licht und Schatten, zwischen Werden und Vergehen, stellt sich die Bildhauerin in Raum fünf den Fragen unserer Welt, die sich ihr nicht zuletzt aus ihrer Tätigkeit als Kunsttherapeutin eröffnen. Aus den Fragen wird ein Hinterfragen, wenn die Künstlerin z.B. das Wort „Mitgift“ in roten Buchstaben auf ein in schwarz-weiß gemaltes Bild auf Aussteuerleinen malt. Mit welchen Mitgiften gehen Frauen und Männer durch das Leben? Ab wann wird ein „Mit-gift“ zum Geschenk?
Gabriele Bösch, bekannt geworden durch ihre Romane (Der geometrische Himmel, Schattenfuge) teilt sich mit der Bildhauerin den Raum. In ihren filigranen Tintenzeichnungen arbeitet Bösch seit 2015 an einer Verlangsamung des Blicks und deshalb an einer Verlangsamung der Welt. Mit Tinte und Spitzfeder setzt sie aus Mikrostrukturen der Natur abstrahierte Zeichen auf Papier und wiederholt sie zu poetischen, ornamental anmutenden Bildern, die sie selbst als eine Art Palimpseste auf ihre Texte versteht. Das Wort ist verschwunden, die Buchstaben haben sich in universal lesbare Zeichen verwandelt. Werke zu dieser transmedialen Poesie sind bis Ostern auch im Bildungshaus Batschuns zu sehen.
Neunmalneu – Neue Mitglieder von KunstVorarlberg stellen sich vor
Andrea Maria Bauer, Gabriele Bösch, Reinhard Hegenbart, Margot Carmen Lins, Gerhard Rasser, David Salzgeber, Elena Schertler, Regina W. Stadler und Renate Wittwer
Raum für aktuelle Kunst, Villa Claudia, Feldkirch
10.02.-19.03., 2023
- Eröffnung: Do, 09.02, 2023, 19 Uhr
- Einführung: Gabriele Bösch, Kuratorin
- Musik: Dorothea Rosenstock
- Fr 16-18 Uhr, Sa 15-18, So 10-12 u. 15-18
- https://www.kunstvorarlberg.at