Von Albert Wittwer
Das erste bedeutet in meiner Küchendefinition das Bedienen der vermeintlichen eigenen Wählerschicht – immerhin im Rahmen oder mutiger Auslegung geltender Gesetze. Wer davon profitiert, hält es für sachlich richtig. Die anderen bemerken es sowieso nicht. Dagegen gibt es kaum rechtliche (Diskriminierungsverbote, Gleichbehandlung) und allenfalls ethische Grenzen. Abgeordnete und Regierungsmitglieder legen dazu vor Amtsantritt das Gelöbnis ab.
Demokratiepolitisch bedenklich ist etwa der im europäischen Vergleich erschwerte Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft trotz erfolgter Integration; diesem von Mitarbeitern und Unternehmern geschätzten Teil der Bevölkerung sieht sich eine bedeutende politische Partei, die federführend regiert, nicht verpflichtet, soweit nicht die EU für ihre Bürger die Gleichbehandlung vorschreibt. Eine bedeutende Oppositionspartei fühlt sich von diesen Menschen unterwandert.
Aktuell untersucht die EU die Überförderung von Unternehmen mit Corona-Hilfsgeldern. Maßgebende Volkswirtschaftler halten einen Teil der sehr hohen Inflation für hausgemacht, weil nicht nur an die Bedürftigen, sondern mit der Gießkanne ausgeschüttet wurde. Das sorgte für Konsumlaune und zusätzliche Preissteigerungen. Vielleicht ist die Privilegierung Wohlhabender durch teilweise Abschaffung der Grunderwerbsteuer, die letzte verbliebene Vermögenssteuer in Österreich, das nächste Kapitel. Der Erwerb einer Eigentumswohnung verbilligt sich dadurch um rund ein Prozent.
Vor einigen Tagen haben die Justizministerin und die Kanzleramtsministerin eine Regierungsvorlage für eine deutliche Verbesserung des Korruptionsstrafrechts (Stichwort: Ibiza) vorgelegt. Es enthält leider keine Strafbestimmung für das „Anfüttern“ von Entscheidungsträgern.
Damit soll eine rechtmäßige Amtshandlung üblicherweise beschleunigt oder das im Gesetz häufig vorgesehene Ermessen oder ein unbestimmter Gesetzesbegriff einer wohlwollenden Auslegung zugeführt werden. Wie schnell kriege ich die Baubewilligung? Die hasenstallähnliche Kiste stört keinesfalls das Ortsbild. Es sind mir höhere Beamte bekannt, die niemals Einladungen zum Mittag- oder Abendessen von Parteien (Amtsjargon für Kunden öffentlicher Dienste) annehmen.
In Vorarlberg gab es zudem die Spezialität von Inseraten, mit denen über einen kleinen Umweg die Entscheidungsfreude von Mandatsträgern einer bedeutenden Partei gefördert werden sollte. Das ist bisher technisch keine Korruption, sondern nur unzulässige steuerschonende Parteienförderung.
Man vergleiche in diesem Zusammenhang das Sponsoring ärztlicher Fortbildung. Die Ärzte verschreiben dann trotzdem aus einer großen Auswahl von ähnlichen Wirkstoffen bei Medikamenten ganz objektiv das passendste. Nicht etwa jenes, deren Erzeuger die Fortbildung finanzierten.
Was, mit Hilfe der Medienschaffenden, dagegen hülfe, wäre Informationsfreiheit. Die ist im Regierungsprogramm zwar versprochen, aber: Transparenzgesetz bitte warten.
„Kein ungarischer Politiker ging jemals ins Gefängnis, egal, wie korrupt er war und wie erdrückend die Beweise gegen ihn. „ Adam Lebos, ungarischer Schriftsteller.
Wie verhält sich das bei uns?
Ich weiß, das ist Jammern auf hohem Niveau. In vielen Ländern kann man von einer Regierung, Verwaltung und Justiz in der Qualität einer westeuropäischen Demokratie, wie auch wir sie haben, nur träumen.