Heute genau vor einhundert Jahren, am 29. März 1923 unterschrieben die Schweiz und Liechtenstein den Zollanschlussvertrag, welcher durch beide Länder per 1. Januar 1924 in Kraft trat und einheitlich den Zoll- und Wirtschaftsraum verbindet. Zu diesem Anlass wurde in Schaan groß gefeiert. Die Ansprachen von Seiner Durchlaucht Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein sowie des Schweizer Bundespräsidenten Alain Berset waren stimmig.
Von Bandi Koeck
Das Medieninteresse bei diesem gelungenen und bis ins kleinste Detail geplanten Anlass, bei dem wichtige Staatsleute über den roten Teppich schritten, war immens. Um den Jahrestag der Unterzeichnung würdevoll zu begehen, fand im SAL in Schaan ein festlicher Gala-Abend statt. Noch vor dem Gala-Abend trafen sich die beiden Staatsoberhäupter zu einem Arbeitsgespräch auf Schloss Vaduz. Ganz im Zeichen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit führten die ehem. Liechtensteiner Skirennläuferin Tina Weirather und der Schweizer Radiomoderator Fabio Nay durch das vielfältige Programm des Abends. Auf einen filmischen Rückblick auf hundert Jahre Zollvertrag folgte die Ansprache von S. D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein (er war mit seiner Gattin, Ihrer Königlichen Hoheit Sophie zum Anlass erschienen). Der Erbprinz würdigte die besondere Partnerschaft und betonte, dass mit dem Abschluss des Abkommens vor zehn Dekaden Rahmenbedingungen geschaffen wurden, die dazu beitrugen, dass sich Liechtenstein zu einem prosperierenden Wirtschaftsstandort entwickeln konnte (dies sagte er auch im Gsi.News Interview, das wir unten abdrucken!). Bundespräsident Alain Berset führte diese Gedanken in seiner Ansprache weiter und sagte, dass mit dem Zollvertrag der Grundstein für zahlreiche Kooperationen zwischen der Schweiz und Liechtenstein gelegt wurde. Sogar „hymnentechnisch“ wären die beiden Länder ideale Partner und könnten miteinander „fusionieren“: „1961 hat sich die Schweiz von der englischen Melodie getrennt.
Gsi.News durfte die charmante Regierungsrätin und Außenministerin Dominique Hasler zum Jubiläum befragen. Für sie sei das ein historischer Moment. „In einer hundertjährigen Partnerschaft verbindet uns die Geschichte und viele Jahre guter Zusammenarbeit, aber es gibt auch Herausforderungen wie in jeder Partnerschaft.“ Gemeinsam an einen Tisch zu sitzen und nach konstruktiven Lösungen zu suchen laute die Devise. Liechtenstein Regierungschef Daniel Risch sieht Tausende verbindende Elemente zwischen Liechtenstein und der Schweiz: „Wenn ich sage Tausende, dann meine ich vor allem die persönlichen, weil unsere Länder sind so eng zusammengewachsen, dass viel Persönliches drinnen ist. Aber heute feiern wir das Vertragliche“ so der sympathische Regierungschef.
Auch Seine Durchlaucht Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein stand Gsi.News für ein Interview zur Verfügung:
Gsi.News: „Welcher Gedanke löst das hundertjährige Jubiläum dieses wichtigen Zollvertrages bei Ihnen aus?“
Erbprinz Alois: Eine große Dankbarkeit gegenüber der Schweiz, dass sie vor hundert Jahren ja gesagt hat zu diesem Zollvertrag, weil er für die Entwicklung Liechtensteins ganz entscheidend war. Einerseits für die wirtschaftliche Entwicklung. Liechtenstein war nach der Kündigung des Zollvertrags mit Österreich nach dem Ersten Weltkrieg in einer ganz schwierigen Situation, es herrschte Armut. Eigentlich relativ bald schon nach Abschluss des Zollvertrages konnte man eine sehr positive Entwicklung in Liechtenstein feststellen, die sich dann nach dem Zweiten Weltkrieg erst voll entfaltet hat. Andererseits war wahrscheinlich der Zollvertrag für das Überleben Liechtensteins ganz entscheidend. Wäre der nicht gewesen, wer weiß was nach dem Anschluss gewesen wäre mit Liechtenstein.
Gsi.News: „Welche konkreten wie wirtschaftlichen Schritte sollten in naher Zukunft angegangen werden?
Erbprinz Alois: Ein Zollvertrag bedingt immer wieder gewisser Anpassungen, es sind häufig nur so kleine technische Details. Größere Änderungen sind aus meiner Sicht nicht unmittelbar notwendig. Eine Herausforderung ist sicherzustellen, seitdem Liechtenstein 1995 dem EWR beigetreten ist, die Mitgliedschaft in beiden Wirtschaftsräumen unter ein Dach zu bekommen. Eine der Herausforderungen ist sicher, je nachdem welchen bilateralen Weg die Schweiz wählt, dass wir das in den nächsten Jahren gut aufeinander abstimmen.“
Auch dem Bundespräsidenten der Schweizer Eidgenossenschaft, Alain Berset, stellten wir konkrete Fragen:
Gsi.News: Was löst dieses Jubiläum bei Ihnen persönlich als Schweizer aus?
Alain Berset: Es ist ein schöner Moment, hundert Jahre so starker Beziehungen feiern zu können. Jubiläum sind wichtig, das sind Momente, wo man rückwärts schauen kann auf alles, was erreicht worden ist. Es hat sehr viel Weitsicht gebraucht vor hundert Jahren, um das zu tun. Und in der Zwischenzeit muss man sehen, wie die Beziehungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz gehen.
Gsi.News: Was wünschen Sie sich für die nächsten hundert Jahre der bilateralen Beziehungen?
Alain Berset: Sie sind sehr stark, wir haben mehr als hundert bilaterale Verträge, wir kennen uns sehr gut und haben eine gemeinsame Sprache, wenn ich das so sagen kann. Es ist ein Vorteil für unsere beiden Bevölkerungen, wir wachsen zusammen. Und es ist auch ein Vorteil international. Durch diese starke Verbundenheit können wir auch auf der multilateralen Ebene mehr erreichen, zum Beispiel war ich gestern Abend bis spät in New York im UN Sicherheitsrat. Die enge Verbundenheit auch mit Nachbarstaaten wie Österreich und Deutschland ist eine große Stärke.
© IKR/Paul Trummer
Fest fürs Volk
Am 29. April 2023 feiert die liechtensteinische und schweizerische Bevölkerung ab 11 Uhr ein grenzüberschreitendes Fest rund um die Alte Rheinbrücke Vaduz-Sevelen. Neben dem feierlichen Einzug von Delegationen aus St. Gallen, Graubünden und Liechtenstein sowie unterschiedlichen Ansprachen wird es an diesem Tag ein abwechslungsreiches Programm unter anderem mit sogenannten Wirtschafts- und Politikstammtischen geben. Auf der Alten Rheinbrücke wird zudem mit diversen, gemeinsam von Kunstschaffenden aus der Schweiz und Liechtenstein konzeptionierten Kunstwerken ein Zeichen für die kulturelle Zusammengehörigkeit beider Staaten gesetzt.