Von Adi Untermarzoner
Das zentrale Ereignis des christlichen Glaubens sei die Auferstehung Jesus nach seinem Kreuzestod. Sie sei der Beweis für die Gottheit Christi. Paulus schreibt, wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist unser Glaube leer, dann werden auch die Christen nicht auferstehen (1Kor, 15,14). Einen stringenten Zusammenhang zwischen der Auferstehung Christi und jener der Christen gibt es nur, wenn man das absurde biblische Ideenkonstrukt voraussetzt, das kurz zusammengefasst so lautet: „Gott erschuf die Welt und dann nach seinem Ebenbild den Menschen. Dieser sündigte und alle Nachkommen waren mit der Erbsünde behaftet und mussten zur Strafe in Staub zerfallen; ein klassisches Beispiel für Sippenhaftung. Nach ca. 200 000 Jahren erfasste den Allgütigen und Allmächtigen entweder Reue, Mitleid oder sinnliche Begierlichkeit. Er schwängerte die angeblich noch jungfräuliche Braut eines Häuserbauers namens Josef durch seine dritte Person. Das Ideenkonstrukt nimmt nun makabre Züge an. Der Spross namens Jesus der immer noch jungfräulich verbliebenen Mutter Maria, der angeblich sowohl Mensch als auch Gott war, nahm die Sünden der Menschheit auf sich, starb dafür den Kreuzestod und versöhnte damit Gott mit sich selbst. Die zweite Person wurde aber auferweckt, überwand den Tod und verfiel nicht in Staub.“ Nur seine Vorhaut, die man ihm bei der Beschneidung im Tempel weggeschnitten hatte, existierte an vielen Orten als Reliquie bis ins 19. Jahrhundert weiter.
Jene, die an diese abenteuerliche Geschichte glauben, verwesen zwar, aber sie werden auch auferstehen, kommen dann beim jüngsten Gericht auf die rechte Seite und in den Himmel. Die Ungläubigen landen auf der linken Seite, „…sie werden gepeinigt werden Tag und Nacht und alle Ewigkeit.“ (Off. 20,10) Da aber inzwischen immer weniger Menschen mit dem widersinnigen Konstrukt der Bibel etwas anfangen können, kommt nach dieser Lehre die Mehrheit ins ewige Feuer, denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt.
Auferstehung, ein häufiges Wunder in der Antike
In der Antike findet man das Wunder einer Auferstehung, wie das der Totenerweckung, sehr häufig. „Vor Christus standen von den Toten auf der babylonische Tammuz (sumer. Dumu-zi, „treuer Sohn“), dessen Kult sich bis Jerusalem ausgebreitet hatte, der syrische Adonis (ädön, „Herr“), der phrygische Attis, der ägyptische Osiris, der thrakische Dionysos u. a. Manche dieser Götter erduldeten Leid oder Martern, einige starben am Kreuz; selbst Sühnecharakter besaß manchmal ihr Tod. Und schon in ältester Zeit verknüpfte man mit ihrer Auferstehung stets die Hoffnung auf menschliche Unsterblichkeit. Wie der synoptische Jesus starben diese Götter oft früh. Adonis, dessen Kult Sappho um 600 v. Chr. besang, den die Juden jedoch schon im 8. Jahrhundert kannten, Attis, Sabazios schwanden im Jugendalter dahin. Nicht selten standen sie am dritten Tag oder nach drei Tagen wieder auf, wie Attis, Osiris und höchstwahrscheinlich Adonis.“1 Es gibt aber noch viele weitere erstaunliche Parallelen zu Gefangennahme, Geißelung, Kreuzigung mit Verbrechern, Speerwunde, Höllenfahrt und Erlösung.
Fromme Behauptungen und moralische Diffamierungen
Das Christentum gründet auch auf einem solchen Mirakel. Viele Jahrhunderte lang wurde die Auferstehung Jesu realistisch aufgefasst, als Vorgang in der äußeren Natur. Moderne Theologen drücken es wortreicher und euphemistischer aus, denn ein derart naiver Wunderglaube ist heute vielen Menschen nicht mehr zumutbar. Die von den Ideen der Aufklärung infizierten Theologen haben mit der Wundergeschichte auch ihre Probleme. Sie haben sich oft aus purem Opportunismus für die zu vertretende Ideologie entschieden. Nur wenige nehmen die Nachteile auf sich, einen angesehenen und hochdotierten Beruf aufzugeben. Sie verlangen daher von ihren Schäfchen die persönliche Glaubensentscheidung, auch wenn diese Glaubenslehre für viele letztlich nicht nachvollziehbar ist. Trotzdem schreibt Ratzinger in seiner „Einführung ins Christentum“ zur Auferstehung seitenweise über Liebe und Tod. Zuletzt beansprucht er die Faktizität der Auferstehung, ohne diese zu prüfen. Auch in seinem neuen 2011 erschienenen Jesusbuch übergeht er mit frommen Behauptungen die differenzierte Argumentation gegen die reale Auferstehung des Juden Jesus.2 Die Argumente der Gottesleugner und Religionskritiker versucht er mit moralischer Diffamierung zu konterkarieren. Sie scheinen alle dem Teufel auf den Leim gegangen zu sein, für dessen Bekämpfung im Vatikan ein Kardinal als oberster Exorzist zuständig ist. Diese angeblich von christlicher Liebe geprägte Einstellung zeigt Ratzinger auch in dem von ihm 2005 redigierten Katechismus zum Thema Glaubensgehorsam. Die Glaubenspflicht verletze man bereits, wenn man Zweifel daran hat „was Gott geoffenbart hat und die Kirche zu glauben vorlegt“.3
Unzählige Widersprüche
In den heiligen Schriften des Neuen Testaments finden sich eine ganze Reihe von Bekenntnissen, Auferstehungslegenden und Überlieferungslinien. Der Wegbereiter der Bibelkritik Reimarus hat schon im 18. Jahrhundert festgestellt, dass sich besonders bei den Erzählungen über die Auferstehung Widersprüche wie sonst nirgends in der Überlieferung finden lassen, was heute kein ernst zu nehmender Neutestamentler mehr bestreitet. Unter allen erhaltenen Berichten stimmen nicht zwei miteinander überein. In historischer und philosophischer Literatur und vor allem in der modernen Exegese findet man sehr viele Zusammenfassungen dieser Widersprüche. Hier ein kleiner Auszug:
1) Die ältesten Berichte sagen, Gott habe Jesus aus dem Tod „erweckt“. Nicht, er sei aus eigener Kraft auferstanden… Christus geht nicht als Gott in eigener Vollmacht aus dem Grab hervor. Paulus hat ihn niemals „Gott“ genannt.
2) Die Berichte der Evangelien über die Erscheinungen des Auferstandenen machen widersprüchliche Ortsangaben. Markus gibt Galiläa an, Lukas lässt die Jünger in Jerusalem bleiben.
3) Widersprüche beim Grabbesuch. Markus erwähnt drei Frauen, Matthäus korrigiert Markus; er redet von zwei Frauen. Lukas ist ungenau in der Zahlangabe. Er nennt drei Frauen mit Namen und eine Anzahl weiterer Personen. Johannes lässt es nur eine Frau sein. Diese läuft schnell zu Petrus und Johannes. Damit wird erreicht, dass diese zwei Zeugen werden und nicht nur „Weiber“, die als weniger verlässlich galten.
4) Keiner der Evangelienberichte über die Erscheinungen des Auferstandenen stimmt mit der wohl ältesten Erzählung überein, mit Paulus 1 Kor 15, 3-11, der genau sein will und behauptet, der Auferstandene sei zuerst dem Petrus, dann den Zwölfen, (wieso zwölf? Judas war tot), dann über 500 Menschen auf einmal, dann dem Jakobus, dann allen Aposteln, zuletzt Paulus erschienen. Paulus schreibt weder von Frauen, die zum Grab gingen, noch vom leeren Grab, noch vom Körper des Auferstandenen. Sein Leib, sollen wir annehmen, sei ein Leib der Herrlichkeit, wie ihn später die Auferstandenen haben werden. Es sei ein „geistlicher“ Leib, was immer das sein soll. Für den Leib und Frauen diffamierenden Paulus ist das typisch. Er sagt nie, er habe den Leib Jesu gesehen, wie er vor der Auferstehung war. Er legt nahe, Jesuserscheinungen, die vor ihm stattfanden, seien ähnlich immateriell gewesen wie die seine. Es waren – muss man annehmen – Visionen, Lichterscheinungen.
5) Genau diesen Eindruck bestreiten die späteren Berichte bei Matthäus, Lukas und Johannes. Als reichten Visionen für ein Bestätigungswunder nicht aus. Die Vorstellung körperlicher Wiederkehr Verstorbener war in der jüdischen Welt verbreitet. Das berichten auch die Evangelien: Die Jünger erzählten Jesus, wofür die Leute ihn halten: Sie sagen, er sei wohl der zurückgekehrte Täufer Johannes, vielleicht auch Elias oder sonst ein Prophet. Gegen die nur visionäre Vorstellung von Jesu Rückkehr argumentiert auch der Petrus der Apostelgeschichte (10,41): „Wir haben nach seiner Auferstehung mit ihm gegessen und getrunken.“
6) Im Johannesevangelium tritt der Auferstandene durch verschlossene Türen wie ein Geist, lässt sich betasten, damit Thomas seinen Zweifel los wird. In diesem Evangelium wird zwischen Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung kein Unterschied gemacht. Es bleibt der Eindruck, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten fielen zusammen. Er weiß nichts von einem vierzigtägigen erneuten Erdenaufenthalt im wiederhergestellten Leib. Es endet mit Jesu Zuruf, selig seien die, die keine Wunder sehen und doch glauben (20,29)4 Das sind nur einige der vielen Widersprüche.
„…ein Welthistorischer Humbug“
Mit Beginn der Aufklärung in der Mitte des 17. Jahrhunderts begann auch die historisch kritische Erforschung der Bibel. Bis heute wurde in zahllosen akribischen wissenschaftlichen Arbeiten die Unhaltbarkeit der faktischen Auferstehung aufgezeigt. Dem Philosophen und Wissenschaftler für orientalische Sprachen, Reimarus (1694-1768), war es noch zu gefährlich, seine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, denn er wusste um die Unmenschlichkeit kirchlicher Macht. Der Religionskritiker und Aufklärer Voltaire verbrachte 41 Jahre seines Lebens im Gefängnis. Der mit der Familie des Reimarus befreundete Dichter Gotthold Ephraim Lessing erhielt nach Reimarus Tod von dessen Kindern die geheimen bibelkritischen Arbeiten und veröffentlichte sie. Erst der überragende Theologe des 19. Jahrhunderts, David Friedrich Strauß, wagte schließlich den frontalen Angriff auf die Erzählungen über die Auferstehung Jesu und schreibt: „Selten ist ein unglaubliches Factum schlechter bezeugt, niemals ein schlecht bezeugtes an sich unglaublicher gewesen.“5 „Historisch genommen, d.h. die ungeheuren Wirkungen dieses Glaubens mit seiner völligen Grundlosigkeit zusammengehalten, lässt sich diese Geschichte mit der Auferstehung Jesu nur als ein welthistorischer Humbug bezeichnen.“6
Die Beweise, die Strauß erarbeitet hatte, waren stichhaltig, schlagend und unangreifbar, trotzdem gab es weiterhin Theologen, die gegen jede Vernunft an der faktischen Auferstehung festhielten. Das wird auch heute noch den 2 % Kirchenbesuchern, die man zum blinden Glauben von Kind an dressiert hat, gepredigt. Eine besondere Leuchte der Orthodoxie war Michael Buchberger, Bischof von Regensburg, der Herausgeber der ersten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche (1930), und schon sein Kirchliches Handlexikon von 1907 rühmte sich mit Recht seiner kirchlichen Korrektheit. Er beschrieb die Auferstehung Christi als Wiederbelebung des toten Leibes, nannte sie eine historisch gesicherte Tatsache und schrieb: „Am 3. Tag nach Christi Tod vereinigte sich seine Seele wieder mit dem Leibe und Christus ging glorreich aus dem Grabe hervor … Die Wirklichkeit der Auferstehung Christi steht historisch fest durch die Glaubwürdigkeit der Evangelien … Die Abweichungen betreffen bloß Nebenumstände.“ (Freiburg 1907, Band 1, Spalte 399). Im Lexikon für Theologie und Kirche, Band 1, Freiburg 1993, 3. Auflage, Spalte 1185, steht dann aber das Eingeständnis: „Die Auferstehung ist keine beweisbare Tatsache.“ Nicht die Auferstehung, nur die Erzählungen über die Auferstehung seien Gegenstand historischen Wissens. Demnach hätte die Christenheit 1900 Jahre lang seine Hauptbotschaft missverstanden.
Rettungsversuche
Es gab und gibt auch Theologen, die trotz ihrer Zustimmung zu den historischen Ergebnissen von David Friedrich Strauß versuchten, das Christentum zu retten. Der evangelische Theologe Bultmann versuchte den vergeblichen Ausweg in die Kerygma (Verkündigungstheologie) und in die Eschatologie (Lehre vom Endschicksal des Menschen). Bultmann betont, die Auferstehung könne als Tatsache, auf die hin man glaubt, nicht einleuchtend gemacht werden. Er fährt fort: „Aber sie kann – und sie kann nur so – geglaubt werden, sofern sie bzw. der Auferstandene im verkündigten Wort gegenwärtig ist … Bei Jesus Auferstehung gehe es nicht um ein historisches Urteil, sondern um die Behauptung einer eschatologischen Tatsache, um etwas, das die Geschichte übersteigt. Jesus sei quasi in die Verkündigung hinein auferstanden.“7
Ein weiterer vergeblicher Ausweg war der in die objektive Visionstheorie. Die Psychoanalyse entlarvte die Visionen des Apostels Paulus und der übrigen Apostel als subjektive Wahnideen und Selbsttäuschungen. Der Marburger Theologe Hans Graß behauptete daher, man habe es bei den Erlebnissen der Jünger mit einem unmittelbaren Handel Gottes an ihnen zu tun und nicht bloß mit Produkten ihrer eigene Phantasie oder Reflexion. Der bekannte Neutestamentler Theißen (Jahrgang 1943) liefert eine Spielart der objektiven Visionshypothese. Er hält es für möglich, dass durch innerpsychische Prozesse eine objektive Botschaft an Menschen vermittelt werden kann. Beispielsweise hätten, primär in Kriegszeiten, die Angehörigen daheim die innerliche Botschaft erhalten, dass der geliebte Sohn oder Vater gefallen sei, was dann tatsächlich der Fall war.8 Damit ist der Exeget Theißen endgültig in der Parapsychologie gelandet.
Die Versuche, der Verkündigung der Auferstehung irgendeine Bedeutung abzugewinnen und sei es nur durch Sprachakrobatik, sind unzählig. Man spricht von „Gottes Ja zum Menschen“, von „Gottes Herrschaft über den Tod“ oder von der „Auferstehungswirklichkeit“. Aber es ist sinnlos so zu reden, wenn man historisch nicht sicher sagen kann, dass Jesus auferweckt worden ist.9
1 Karlheinz Deschner, Abermals krähte der Hahn, Econ Verlag 1980, S. 98
2 Vgl. Josef Ratzinger, Jesus von Nazareth, zweiter Teil, Herder 2011, S. 265 – 298
3 Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, deutsche Ausgabe, München 2005, S. 488 f
4 Vgl. Kurt Flasch, Warum ich kein Christ bin, Verl. Beck, München 2013, S.120 – 132
5 David Friedrich Strauß: Der alte und neue Glaube. Ein Bekenntnis, 12. bis 14. Stereotyp-Auflage, 1895, S. 47
6 Ebd.
7 Rudolf Bultmann, Theologie, S. 305 f.
8 Vgl. Gerd Theißen, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums 2000, S. 78
9 Vgl. Heinz-Werner Kubitza, Der Jesuswahn, Tectum Verlag 2011, S. 207