„ECMO“-Therapie in Feldkirch erfolgreich angelaufen

Bild: VLKH

Herzlungenmaschine seit über einem Jahr im Einsatz

Vor über einem Jahr, im Februar 2022, hat ein Team aus den Abteilungen für Anästhesie und Intensivmedizin, Innere Medizin sowie Gefäßchirurgie am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch damit begonnen, die „Extrakorporale Membranoxygenierung“ (kurz: ECMO) erstmals in Vorarlberg auch systematisch anzuwenden. Die Therapie stellt eine vorübergehende Versorgung der Organe mit sauerstoffreichem Blut sicher. Dieses äußerst aufwändige Verfahren, bei dem eine Herzlungenmaschine als lebensrettende Therapieoption eingesetzt wird, setzt hochspezialisiertes Fachwissen voraus.

Bei zwölf Patienten in Vorarlberg konnte die ECMO allein im ersten Jahr erfolgreich eingesetzt werden. Sechs Patienten haben sogar nur dank dieser Therapie ein schweres gesundheitliches Ereignis überlebt.

Technische Methode ersetzt Funktionen von Herz und Lunge

Bei Patienten mit lebensbedrohlichem akuten Herz- und/oder Lungenversagen kann nach Ausschluss von Kontraindikationen eine „Extrakorporale Membranoxygenierung“, also eine ECMO, implantiert werden. „Dabei wird das Blut der Patienten außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert, Kohlendioxid entfernt und wieder in den Körper und den Blutkreislauf gepumpt. Dafür werden große Kanülen eingesetzt, die durch die Haut am Hals und/oder in den Leisten in zentrale Gefäße, also große Arterien und Venen, gelegt werden: „Unter Ultraschallkontrolle werden zunächst Drähte in die Gefäße eingebracht und die Zugangswege so weit eröffnet, dass darüber die bis zu ein Zentimeter großen Kanülen eingesetzt werden können. Über diese Katheter werden während der Therapie mehrere Liter Blut pro Minute gepumpt“, erklärt Oberarzt Dr. Harald Rinösl. Der Anästhesist leitet das interdisziplinäre ärztliche und pflegerische Team am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch, das die ECMO-Therapie anbietet.

„Das Blut wird vor dem Herzen aus dem Körper abgesaugt. Je nachdem, in welches Gefäß wir das Blut zurückpumpen, können wir speziell Patient:innen mit Lungenversagen, mit Herzversagen oder mit einem kombinierten Herz- und Lungenversagen optimal helfen. Es können damit die Funktionen von Herz und Lunge teilweise oder sogar komplett ersetzt werden“, erklärt Dr. Rinösl. Je nach Krankheitsbild ist diese Therapie über einen Zeitraum von wenigen Tagen bis zu vielen Wochen nötig, bis sich das Herz bzw. die Lunge wieder erholt haben.

International vernetzt und geschult

Nicht nur der eigentliche Einsatz der ECMO ist sehr aufwändig. Bereits die Entscheidung selbst, ob einem/einer Patient:in mit einer Herzlungenmaschine geholfen werden kann und wenn ja, welche Art der Anwendung am besten hilft, setzt spezialisiertes Fachwissen voraus. Sämtliche Mitarbeiter:innen, die bei dieser Therapie im Einsatz sind, sind entsprechend geschult.

OA Dr. Harald Rinösl selbst hat sechs Jahre am AKH Wien als Herzanästhesist gearbeitet. Auch sein ärztliches Team, mit dem er gemeinsam seit Februar 2022 rund um die Uhr für Notfälle zu Verfügung steht, hat viel Erfahrung in diesem Bereich und zudem auch an herzanästhesiologischen Kliniken außerhalb Vorarlbergs gearbeitet. „Es ist eine große Herausforderung, ein breites Team

aufzubauen, das mit der ECMO-Therapie den Patient:innen in Vorarlberg die beste Therapieform bei akutem Herz- oder Lungenversagen anbieten kann. Viele unserer Mitarbeiter:innen haben an internationalen Kursen teilgenommen. Andere Schulungen wiederum haben wir selbst durchgeführt und so für unser Team einen wertvollen Erfahrungsaustausch mit Spezialist:innen anderer Kliniken organisiert.“

Besonders stolz ist OA Dr. Harald Rinösl auch auf das kompetente Pflegeteam: „Es freut mich sehr, dass wir 15 hochmotivierte Intensiv-Pflegekräfte fachlich aufbauen konnten, um die ECMO-Therapie anbieten zu können.“ Für das spezialisierte Pflegeteam bedeutet diese Art der Therapie ein „Arbeiten unter maximalem Stress und Zeitdruck, aber auch eine ganz besondere Form der Teamarbeit zwischen Ärzt:innen und Pflegkräften“, erklären DGKP Bernhard Flatz und DGKP Marcel Walter, Stationsleiter der Intensivpflege und Mitglieder des ECMO-Teams am LKH Feldkirch: „Um die hochspezialisierten Maschinen, die die Organfunktionen übernehmen, bedienen zu können, nehmen wir besondere Aus- und laufende Weiterbildungsmöglichkeiten in Wien und Regensburg in Anspruch. Wir arbeiten in dem Bewusstsein, dass die ECMO-Therapie die jeweils letzte Chance für das Überleben der Patient:innen bedeutet. Und darauf muss man – nicht nur fachlich, sondern auch psychisch – vorbereitet sein.“ Flexibilität sowie die Bereitschaft, zu jeder Tages- und Nachtzeit für den Fall der Fälle bereit zu stehen, zeichnen das ECMO-Pflegeteam zusätzlich aus.

Erste ECMO-Patientin stand bereits wieder auf Skiern

Die ECMO kommt bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen zum Einsatz, wenn ein komplettes Lungen- oder Herzversagen vorliegt. ECMO-Therapien im neonatologischen Bereich, also für Neugeborene, werden in Österreich ausschließlich im AKH Wien und dem AKH Linz angeboten. Zu den Krankheitsbildern zählen unter anderem Lungenversagen bei Infektionen, Herzversagen nach akutem Herzinfarkt und schwerste Hypothermie – etwa nach Lawinenunfällen. Bereits im ersten Jahr konnte die Fachgruppe zeigen, dass die ECMO-Therapie in Vorarlberg sicher und erfolgreich angewendet werden kann. Der Bedarf war groß: „Wir konnten Menschenleben retten“, betont Dr. Harald Rinösl.

„Gleich in der ersten Woche nach dem Start des Programms hat uns eine ganz besondere Patientin vor eine große Herausforderung gestellt: Das ECMO-Team wurde zu einer fünfjährigen Patientin gerufen, die aufgrund einer Herzmuskelentzündung einen Kreislaufstillstand erlitten hatte. Die ECMO konnte erfolgreich implantiert und die Patientin damit stabilisiert werden. Sie wurde an der Uniklinik Innsbruck gemeinsam mit einem Spezialisten aus dem AKH Wien weiterbetreut und hat sich sehr gut von ihrer Erkrankung erholt.“ Das Team hat erfahren, dass das Mädchen mittlerweile ganz normal die Schule besucht und im Winter sogar an einem Skikurs teilnehmen konnte. „Das hat im gesamten Team große Freude und Dankbarkeit ausgelöst“, freut sich der Leiter des ECMO-Teams: „Dankbarkeit auch dahingehend, dass wir in Vorarlberg diese Therapieform jetzt anbieten können und damit dieses Mädchen retten konnten!“

Rund um die Uhr bereit für den Fall der Fälle

Das Einsatzspektrum der ECMO war bereits im ersten Jahr sehr breit. In der Hälfte der Fälle wurde die Herzlungenmaschine bei Patient:innen im Kreislaufstillstand angewendet. „Andere Patient:innen wiederum litten an Herzerkrankungen – u.a. Herzinfarkt oder Herzmuskelentzündung – oder waren schwer unterkühlt oder litten an Intoxikationen, also Vergiftungen. Wieder andere kämpften aus verschiedenen Gründen mit einem Lungenversagen – u.a. aufgrund von Entzündungen, einem Lungenödem oder nicht stillbaren Lungenblutungen.“

Da derartige Ereignisse meist nur schwer oder gar nicht vorhersehbar sind, muss das ECMO-Team rund um die Uhr abrufbar sein. „Einer der speziell geschulten ECMO-Ärzte ist jeweils für 24 Stunden in Bereitschaft“, erklärt Dr. Harald Rinösl. „Vor allem bei Patient:innen im Kreislaufstillstand nimmt

mit jeder gewonnenen Minute die Überlebenschance zu.“ In der Akutphase werden die Patient:innen von bis zu 15 Fachpersonen betreut, die schnell verfügbar sein müssen.

Interdisziplinäre und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit

In dieser ersten Ausbaustufe der ECMO-Einführung wurden zunächst Patient:innen in die Therapie aufgenommen, die innerhalb des Krankenhauses Feldkirch ein Herz-Lungenversagen erlitten hatten. Dabei wird nicht nur berufsgruppenübergreifend, sondern auch interdisziplinär und abteilungsübergreifend zusammengearbeitet. Mit im Boot sind neben den Fachleuten der Anästhesie und Intensivmedizin auch ausgewiesene Expert:innen für das Gefäßsystem, eigens geschulte Gefäßchirurg:innen und Herzspezialist:innen: „Die ECMO bringt einen enormen Zugewinn für die Behandlung der Vorarlberger Bevölkerung“, resümiert etwa der medizinische Leiter der Abteilung „Innere Medizin I“ am LKH Feldkirch, Prim. Doz. Dr. Matthias Frick: „Durch die ECMO-Implantation vor Ort und den raschen Transfer nach Innsbruck ist eine optimale Versorgung mit den bestehenden personellen und strukturellen Ressourcen gelungen. Dieses Projekt ist nur durch die enge Kooperation von mehreren Abteilungen möglich geworden.“

Das Feldkircher ECMO-Team arbeitet zudem eng mit den Fachkolleg:innen der Anästhesie und Intensivmedizin sowie der Herzchirurgie der Universitätsklinik Innsbruck zusammen: „Eine optimale Abstimmung ermöglicht es, die herzanästhesiologische und herzchirurgische Expertise der Mediziner:innen in Innsbruck optimal auch den Patient:innen in Vorarlberg zugutekommen zu lassen und damit deren Versorgung auch unter zeitkritischen Umständen zu gewährleisten. Diese Kooperation hat schlussendlich auch einen optimalen Start des ECMO-Programms in Vorarlberg ermöglicht“, erklärt OA Dr. Harald Rinösl. In der initialen Aufbauphase hat diese eingespielte Organisationsstruktur dafür gesorgt, dass Patient:innen nach dem Einsetzen der ECMO und der primären Stabilisierung am LKH Feldkirch von Beginn an routinemäßig zur langfristigen Therapie an die Universitätsklinik in Innsbruck überstellt werden können.

Prim. Doz. Dr. Reinhard Germann, Abteilungsleiter der Anästhesie und Intensivmedizin am LKH Feldkirch verweist abschließend darauf, dass es die Verfügbarkeit der ECMO in Vorarlberg erlaubt, „Patient:innen mit akutem Herzversagen auch unabhängig von der geografischen Distanz zum nächsten ECMO-Zentrum eine Therapie anbieten zu können, die eine realistische Überlebenschance mit guter Lebensqualität ermöglicht. Die einzelnen Überlebenden, die wieder in ein aktives Leben zurückkehren können, lohnen den Aufwand aller Beteiligten!“

Die mobile Version verlassen