Das Wagnis eines radikalen Lebens mit Gott: Äbtissin Maria Hildegard Brem im Gespräch

Quelle: Katholische Kirche Vorarlberg

Sie ist für katholische Menschen eine hohe Würdenträgerin und ihres Zeichens Äbtissin der Zisterzienserinnen im Kloster Gwiggen. Maria Hildegard Brem verrät ihre Gedanken über Gott und die Welt.

Von B. Koeck

Gsi.News: Sie sind Äbtissin der Zisterzienserinnen in Gwiggen, Hohenweiler. Ist ein Ordensleben wie Ihres, im Kloster, heute noch irgendwie zeitgemäß? Sie haben von Ihrer „Berufungsgeschichte“ erzählt. Es  geht um eine Beziehungsgeschichte zwischen Jesus von Nazareth, den Sie den „Christus“ nennen, und Ihnen,  also um eine Beziehung zwischen „Gott und Mensch“. Können Sie das heutigen Menschen erklären?

Brem: Sie stellen da in einer einzigen Frage sehr viele Detailfragen. Ich werde versuchen, sie der Reihe nach zu beantworten. Mir scheint ein Leben, das ganz auf Gott und auf den Fürbittdienst für die Menschen ausgerichtet ist, sehr zeitgemäß. Unsere Welt leidet an so viele Nöten, und in vielen Fällen kann man nur sagen: Wir müssen im Gebet Gott um Hilfe, um Frieden und Versöhnung bitten, weil wir Menschen das nicht selber machen können. Was natürlich nicht heißen soll, dass wir nicht auch einen Beitrag dazu leisten müssen! In unserer Zeit gibt es auch immer mehr Pfarren, die keinen eigenen Priester mehr haben, und das geistliche Leben verdünnt sich zusehends. Da scheinen mir Orte wie unser Kloster sehr wichtig, wo alle Menschen immer willkommen sind mit ihren Anliegen, und wo sie zu sich selbst und zu Gott finden können. Ja, eine Berufungsgeschichte ist eine Beziehungsgeschichte. Wenn einem Gott und die liebende Beziehung zu ihm so wichtig ist, dass man bereit ist, dafür seinen ursprünglichen Lebensplan aufzugeben, so führt das in eine sehr tiefe Freundschaft mit ihm hinein. Mir ist es da ähnlich gegangen wie einer Frau, die mir im Zug erzählt hat, dass sie für ihren Mann als begeisterte Stadtkind ins hinterste Waldviertel gezogen ist: „Was tut man nicht alles, wenn man liebt!“

Gsi.News: In ihrer Predigt haben Sie sehr eindrücklich zwischen „Spaß“ und „Freude“ unterschieden. Worin liegen da entscheidende Unterschiede für Sie? Sie haben auch vom notwendigen „Einsteigen“ geredet, über den Mut, auch hoch oben wie in einem Zirkuszelt  zu schweben, zu turnen. Wie ist das gemeint?

Brem: Unter Spaß verstehe ich oberflächliche Vergnügungen, unter Freude aber eine tiefe Erfüllung und Zufriedenheit, die aus dem Innersten der Seele aufsteigt. In der kleinen Geschichte, die ich erzählt habe (nachzulesen auf der Homepage der Pfarre Batschuns, Anm.) meint das „Einsteigen“ die Bereitschaft, sich mit seinem ganzen Dasein auf das Wagnis eines radikalen Lebens mit Gott einzulassen.

Gsi.News: Sie tragen wie alle Ihre Schwestern einen Schleier. Kulturell gibt es immer wieder eine heftige „Kopftuch“-Diskussion mit Musliminnen, die eine Art „Schleier“ tragen. Fühlen Sie sich da ein bisschen solidarisch? Wie sehen Sie diese Debatte im Kontext von Frauenrechten und Emanzipation?

Brem: Ich trage einen Schleier als Ausdruck dafür, dass ich mein Leben Gott geweiht habe. Soviel ich weiß, drückt der Schleier bei Musliminnen etwas anderes aus. Ich bin grundsätzlich für Freiheit bei der Kleiderordnung, nur soll sie nicht für ideologische Zwecke missbraucht werden.

Gsi.News: Machen nicht gerade die Missbrauch-Skandale, in der  Gesellschaft, insbesondere in der Katholischen Kirche, Frauen in der Kirche immer wichtiger? Maria von Magdala wurde als „erste Verkünderin der Auferstehung“ bezeichnet, sie wurde von Papst Franziskus den Aposteln gleichgestellt, – obwohl ihre Rolle in den Evangelien wahrscheinlich etwas zu niedrig bewertet wurde?

Brem: Ich glaube nicht, dass die Bedeutung der Frauen in der Kirche mit den Missbrauchskandalen zusammenhängt. Die Rolle der Frauen in der Kirche ist von grundlegender Wichtigkeit. Wie Maria Magdalena sind sie in den Familien meist die ersten und wichtigsten Verkünderinnen des Evangeliums und die unentbehrlichen Mitarbeiterinnen auf allen kirchlichen Ebenen. Was würde von unseren Pfarren und Gottesdiensten übrig bleiben, wenn die Frauen fehlten?

Gsi.News: Nicht in allen Diözesen dürfen Frauen predigen. Wie sehen Sie die zukünftige Rolle von Frauen in der Kirche? Kann es aus Ihrer Sicht bald auch Diakonissinnen geben, vielleicht auch katholische Frauen als „Priesterinnen“? Wie kann es gelingen, diesen vielen Menschen sehr wichtigen Fragen von einem individuellen, religiösen oder spirituellen Leben auf Dauer zu trennen? Geht das überhaupt? Wie machen Sie das persönlich?

Brem: Ich finde es sehr bedenklich, dass wir in der Kirche viel zu wenig das offene, zuhörende Gespräch über die Rolle der Frauen in der Leitung der Kirche suchen – und zwar auf allen Ebenen. Da stelle ich sehr viel Resignation fest. Auch ist jeder überzeugt, selbst die richtige Lösung zu wissen, und meist nicht mehr bereit, sich auf einen offenen, gemeinsamen Weg mit Andersdenkenden einzulassen. Das wäre aber die Hauptaufgabe des synodalen Prozesses. Ich persönlich bete in diesem Anliegen und bin jederzeit gerne für ein hörendes Gespräch offen. Mein persönliches Leben mit Gott aber ist mir viel zu wichtig, als dass ich es von äußeren Ergebnissen in dieser Frage abhängig mache. Ich habe nur meine kurze Lebenszeit zu Verfügung, und die will ich optimal nützen!

Landeshauptmann Markus Wallner mit der Äbtissin. Foto: KathKirche

Mit großer Bestürzung muss die Diözese Feldkirch leider den Tod von Äbtissin Hildegard Brem bekannt geben.
Sie war eine bedeutende Persönlichkeit in der Katholischen Kirche Vorarlberg und hatte stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen. Sie verstarb im August 2024.

Die mobile Version verlassen