Von Thomas Bertram
“WACKÖÖÖÖÖN!!!” Wer jetzt die Stirn runzelt und ungläubig den Kopf schüttelt, der wird sich die Serie „The Legend of Wacken“ nicht unbedingt anschauen. Aber vielleicht doch, wenn diese Person einfach weiterliest. ALLE anderen MÜSSEN das schauen!
Seit 1990 gibt es das Heavy Metal Festival auf einer Wiese neben dem norddeutschen Dorf (Kaff) Wacken. Es startete mit 80 zahlenden Besuchern und im Jahr 2023 kommen 80.000. 80.000 deshalb, weil mehr auch beim besten Willen nicht geht. Man könnte viele 100.000 Tickets verkaufen. So sind die Karten alle innerhalb von Minuten restlos ausverkauft, wenn einen Tag nach Ende des Festivals der Ticketverkauf für das nächste Jahr beginnt. Die Besucher kommen buchstäblich aus der ganzen Welt, ich selbst habe mit Südamerikanern gesprochen, die ich zufällig in der Bahn traf. Kein Witz!
RTL Plus hat sich daran gewagt und aus der Geschichte von Holger und Thomas, den Festivalgründern und Organisatoren von WOA (= Wacken Open Air) eine kleine 6-teilige Serie gemacht, gedreht zum Teil direkt auf dem Wacken-Festival, mit den echten Metallern, die da rumlaufen, in die Kamera glotzen, Selfies haben wollen und manchmal gar nicht mehr wussten, dass sie jetzt den Schauspieler statt des „echten“ Holger oder Thomas vor sich haben. Das war für alle sehr anstrengend, denn eins geht auf einem laufenden Festival nicht: Dass der Regisseur ruft „CUT, nochmal!“ Das Festival geht weiter, der Film muss angepasst werden.
Die Serie erzählt in ziemlicher Breite die Vorgeschichte des ersten Festivals bis zum Ende des zweiten. Aufhänger ist ein fiktiver verhängnisvoller Unfall von Holger beim Start des Festivals. Im Krankenhaus, komatös, nicht ansprechbar, versuchen jetzt seine Freunde und Wegbegleiter, ihn zurück ins Jetzt zu bringen, indem sie ihm die wichtigen Geschichten dieses Festivals erzählen. Und so sehen wir Thomas und Holger zweimal, einmal als junge Leute (Sammy Scheuritzel als junger Holger/ Sebastian Jakob als junger Thomas) und wie sie heute sind: Charly Hübner (!!) als Holger Hübner und Aurel Manthei als Thomas Jensen. Und insbesondere letzterer könnte glatt als Doppelgänger des Originals durchgehen. Sechsmal eine knappe dreiviertel Stunde, da sitzt man schon 2-3 Abende dran und dann noch das umfangreiche Making of, das man auch getrost hätte kürzen können. Immerhin kommen da die Originale Holger und Thomas zu Wort und ins Bild.
Es gibt so unglaublich viele tolle Szenen, dass ich nicht weiß, welche ich hier extra hervorheben muss. Aber eine ging mir unter die Haut: Thomas bedauert, dass seine Mutter gestorben ist, bevor das Festival ein echter auch kommerzieller Erfolg wurde. In der Rückblende vor ihrem Grab stehend bedauert er, dass sie in dem Glauben gestorben ist, ihr Sohn sei ein Versager und Aufschneider. Doch der fast tote Holger rettet ihn, indem er der Mutter kurz vor ihrem Tod seinen Verdienstorden des Landes Schleswig-Holstein, auf dem die beiden Namen stehen, zeigen kann. Und sie glaubt an diese Vision, diesen Zeitsprung.
Und sonst: natürlich laut, viel Musik, eben Metal. Plus hübsche Randgeschichten, für die eben bei mehr als 4 Stunden genug Zeit bleibt.
Und wer bis jetzt lesend durchgehalten hat, obwohl der Beginn so merkwürdig war: Das war phonetisch – das ruft man sich zu, wenn man auf dem Festival ist, dort hinwill oder von da kommt oder da war.