Wie ein Rankweiler zur NASA kam: Kevin Garzons steiler Karriereweg

Es freut Lehrer ganz besonders, wenn ihre ehemaligen Schüler groß Karriere und somit wieder von sich hören machen. Besonders jene, welche sich in der Schule meist schwer taten. Ich traf mich mit einem von ihnen, mit Kevin Garzon, der heute in den USA lebt und forscht.  

Von Bandi Koeck

Gsi.News Welchen Weg hast du nach der Pflichtschule in Rankweil eingeschlagen?

Kevin Garzon: Ich bewarb mich ans Gymnasium Schillerstraße. Aufgrund eines 2ers in Turnen und in Bildnerische Erziehung kam ich in der Reberggasse auf die Warteliste. Es war eine schwierige Zeit für mich, da ich zu viel gefeiert habe. Seit ich ein kleines Kind war wollte ich Pilot werden. Zu dieser Zeit kam die Absage von den Infotagen in Bremen. Ich habe mich voll auf diesen Job fokussiert und es kam nichts anderes für mich in Frage, scheiterte aber aufgrund meiner Augensicht. Ich stand in Deutsch, Englisch und Mathe auf einer 5. Ich war einfach nur faul. Trotz Nachhilfelehrer bin ich beim „Nachzapf“ als Einziger durchgefallen. Das war ein richtiger Schlag ins Gesicht. Im nächsten Schuljahr hatte ich zehn Vierer und kam nur knapp durch. Nichts lief irgendwie gut. Meine Noten weckten mich auf. Als wir mit der Schule in Venedig waren, bekam ich neue Ambitionen und es lief plötzlich besser in der Schule. Meine Haare wurden kürzer und die Metallmusik wechselte zu Dubstep und Electronic. Armin Van Buuren aus den NL motivierte mich. In Erinnerungen blieben der Tanzkurs und dass ich die Maturazeitung designte. Ich war der Einzige, der es fächerübergreifend machte und habe Physik auf Englisch maturiert. Zu dieser Zeit wollte ich Astrophysik studieren. Dann kam der Zivildienst und ich wurde Sanitäter beim Roten Kreuz. Seitdem trage ich Kontaktlinsen. Ein Freund aus der Kindheit plante auf die Uni in Dresden zu gehen. Ich besuchte ihn dort. Ich begann 2014 Verkehrsingeneurwesen zu studieren. Ich bestand alles im ersten Anlauf.

Gsi.News: Wie kamst du zur NASA?

Garzon: Auf der Uni in Dresden betätigte ich mich auch politisch. Meine Intention war, dass es das Studium auch auf Englisch gab um es international zu öffnen. Ich kam in den Senat, der über 30.000 Studenten und allen Dekanen der Fakultät betreute. 2016 wählte ich die Vertiefung für Luftverkehr, wir waren acht Studenten. Anfang 2017 war ich Tutor für meinen eigenen Jahrgang für Flugsimulatoren. Das war witzig und rührte daher, da ich als Kind sehr viel Flugsimulator gespielt habe. 2018 machte unserer Professor uns für die Student Challenge aufmerksam. Es ging darum, Wetterdronen im Dallas-Fort Worth-Bereich und wir mussten ein Konzept dafür erstellen. Mein Professor gab mir einen Kontakt zu meinem jetzigen Chef. Nach Sichtung meines CVs kam im Jänner 2018 die Rückmeldung, dass sie jemand anderen suchen würden. Es fehlten Programmierkenntnisse. Somit begann ich eine Hilfskraftstelle bei meinem Professor und machte erste Erfahrungen mit Java. Ich entschied mich zu einem Auslandssemester in den Niederlanden, weil ich merkte, dass mich Maschinenbau doch interessierte. In Delft, einer kleinen Stadt, grausiges Wetter, hatte ich viel Arbeit an der Uni. Nach einem Jahr dort bewarb ich mich erneut für die NASA, vor allem da mich viele motivierten, es erneut zu versuchen. Python und andere Codes beherrschte ich mittlerweile. Sie ließen mich einen Monat warten. Es war der 20. Dezember 2018, als ich eine positive erste Antwort erhielt. Erst im März des darauffolgenden Jahres kam die Zusage. NASA klang so weit weg für mich, wie ein kaum zu erreichender Traum. Nach einem Urlaub in Kolumbien bin ich September 2019 nach Kalifornien ins Silicon Valley gezogen und startete dort als Praktikant.

Gsi.News: Was waren deine ersten Eindrücke in den USA?

Garzon: Mein Verwandter holte mich dort ab. Alles war so groß, die Infrastruktur für Autos enorm. Ohne Google Maps bist du verloren dort. Riesige Portionen, zwar teuer, aber lecker. In den USA muss man wissen, wo man hingehen muss, es finden sich genauso gute Produkte wie zuhause. Ich kenne heute Bäckereien, die sind unglaublich gut. Meine Verwandtschaft kommt aus der Ostküste (New York und Boston) und kam durch mich auch zum ersten Mal nach Kalifornien.

Gsi.News: Wie sieht dein typischer Tagesablauf als Forschungsingenieur mit Schwerpunkt auf futuristisch-autonome Luftverkehrssysteme bei der NASA aus?

Garzon: Sehr unterschiedlich. Am Anfang ist das Projekt so, dass man basic research machen muss, wissenschaftliche Papers lesen, Modelle, Algorithmen erstellen, Simulationen und dann wird es immer praktischer und es geht ins Labor. Gearbeitet wird immer in Teams, die größtenteils international sind. Sicherheitsvergaben sind ein großes Thema. 9 to 5 sind die Arbeitszeiten. ES gibt aber auch Einsätze ab 7 Uhr oder bis Samstags um 3 Uhr morgens. Zu bestimmten Uhrzeiten im Labor. Wir testen dann später viel in der Wüste, in Mojave oder in Texas oder Florida, weil da hast du deine Ruhe und bist ungestört vor Interessenten. Ich habe viel Freizeit und das erlaubte mir, nebenbei meine Diplomarbeit fertig zu machen, ohne ein Burnout zu kriegen.

Gsi.News: An welchen Projekten arbeitest du gerade?

Garzon: Futuristisch autonome Luftverkehrssystem in der Stratosphäre, Ballone, Luftschiffe oder die ganz neuen und ganz kleinen solarbetriebenen umbenannten Flugzeuge. Überschall- und Hyperschallflugzeuge (1.200 km/h – 6.000 km/h = Mach5). Es braucht gute Windmodelle und Vorhersagen der Bewegungen, die Challenge ist, das alles zu integrieren. Ich persönlich arbeite damit, fast schon Mesosphäre (im Falle von Hyperschall), hier bin ich weg von der traditionellen Luftfahrt. Viel Mathe und Physik, ich muss sehr viel Neues lernen, es geht um Materialien, neue Flügel oder Triebwerke, neue Bauweisen. Es geht darum, eine Sicherheitsblase um das Flugzeug herum zu errechnen. Auch die Schockwelle (Nebeneffekt des Überschall/Hyperschallflugs) ist dabei ein großes Thema.

Gsi.News: Was sind die grossen Herausforderungen in der Raumfahrt für die NASA und in welche Richtung bewegen sich die Programme für die Zukunft?

Garzon: Es geht bei der NASA um Grundlagenforschung, wir machen sehr viel earth sciences, Klimawandelforschung. Natürlich auch die Mission to Mars. Es geht darum, dass Privatunternehmen wie Space-X hier weitermachen (Raketen für Astronautentransport)und wir uns auf andere Dinge konzentrieren können. China, Russland und Indien wollen alle auch mitmischen, Politik ist ein großes Thema. Es gibt viele unbeantwortete Fragen. Zusammenarbeit mit Europa (ESA) und den Kanadiern ist super, eigentlich mit allen. Das ist richtig super, mehr darf ich dazu leider nicht sagen.

Gsi.News: Vergleichen wir die Mentalität der Vorarlberger mit jener der US-Amerikaner. Worin liegen für dich die Hauptunterschiede?

Garzon: Ein großes Plus in Vorarlberg ist die Sicherheit und der ÖPVN, aber auch das Bildungssystem. In den USA beeindrucken mich die großen Städte und die Offenheit der Menschen. Was ich beschreibe ist die Mentalität zwischen Vorarlberg und Silicon Valley, weil das unterscheidet sich sehr. Silicon Valley ist nämlich nicht gleich wie die USA!

Gsi.News: Gibt es etwas, das du in den USA vermisst, das es nur im Ländle gibt oder umgekehrt?

Garzon: Mit Freunde und Familie aber auch den öffentlichen Verkehr. Lustenauer Senf nehme ich auch mit und den Kässpätzle-Käse aus dem Ländle. Ich koche ziemlich viel selber. Die Regeln auf den USA Autobahnen könnten besser sein, denn die Amerikaner fahren dort kreuz und quer.

Gsi.News: Welche Ziele und Träume hegst du für die nahe Zukunft?

Garzon: Die nächsten vier, fünf Jahre möchte ich gerne noch in den USA bleiben, aber ich komme dann gerne zurück Richtung Süddeutschland und Schweiz. Meine ambitionierte Vision ist das nachhaltige Fliegen, oder das Konzept vom Space Plane, ein Flugzeug das von selbst es in den Orbit schafft und auch wieder zurück . Ich habe mit dem privaten Pilotenschein begonnen, möchte dies aber lediglich als Hobby ausüben. Auf jeden Fall möchte ich Ingenieur bleiben und dort etwas für die Gesellschaft tun und Spuren hinterlassen. Viele Dinge/Ansichten haben sich verändert, vor 10 Jahren hätte ich mir nie gedacht, dass ich mein Studium in den USA fertigmachen werde.

Gsi.News: Zusatzfrage: Ist Fliegen in der heutigen Zeit vertretbar:

Garzon: Als Ingenieur sind Themen wie Thermodynamik Dinge, die man nicht ignorieren kann. Es gibt die Klimaerwärmung und Luftverkehr ist eine Drecksschleuder. Es ist ein zweischneidiges Schwert, denn es muss zu einem gewissen Grad von A nach B kommen. Die Frage lautet, wie man anders reisen kann, in Europa funktioniert vieles auf der Schiene, davon ist die USA noch weit davon entfernt. Die ganze Infrastruktur ist aufs Auto ausgelegt. Du kannst nicht von San Franzisko nach New York zu einem Meeting fahren. Für solche Dinge ist das Flugzeug viel effizienter gebaut. Bis zu einem gewissen Punkt ist es vertretbar, aber es gibt Dinge wo man auf andere Verkehrsträger umsteigen kann und dies sollte ermöglicht werden. Aber auch andere Dinge wie Abläufe und Prozesse können angepasst werden, zum Beispiel: Ich war in den USA während der Covid-Pandemie und meine Uni in Deutschland forderte eine persönliches Erscheinen für die Abschlussarbeit, somit musste ich nach DE fliegen. Da die USA einen Travel Ban hatte aufgrund der Pandem musste mir die Regierung in den USA ein „national interest exception“ austellen, um wieder zurückreisen zu können.

Zur Person:

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