Von Albert Wittwer
Ein Lastenträger, der die Bagage, Verzeihung das Gepäck der Luxus-Touris hochschleppt, stirbt im Himalaya. Dutzende Touristen steigen an ihm, dem am Boden Liegenden, noch Atmenden vorbei. Achtsam für ihr eigenes Ego, achtlos für den Mitmenschen. Was für ein Erlebnis, weiter zu leben im Bewußtsein – ein exklusives Feature des beseelten Menschen – „ich hätte diesen Menschen vielleicht retten können, wäre es mir im Stress, der Euphorie des Aufstieges, nicht egal gewesen“.
Der Lastenträger, ein Gastarbeiter in Nepal, eine Art Wirtschaftsflüchtling, war wohl auch den indogenen Sherpas egal. Dem Veranstalter und dem Arbeitgeber der Lastenträger sowieso. Der Reiseveranstalter hat wohl seinen Firmensitz in einer Steueroase, kaum im EU-Europa.
Das türkise Österreich versucht bisher sowieso, das Lieferkettengesetz zu verhindern. Menschenrechte sind universell? Es darf ja auch ein Koffeinlimonade-Dosengeschäft dafür bezahlen, daß Menschen im Fledermauskostüm sich in von Klippen, Felstürmen oder Wolkenkratzern stürzen. Überlebensquote geheim. Vermutlich sorgt ein gut bezahltes Schweigegelübde für die Hinterbliebenen. Kurz aber schrecklich berühmt der legale Absprung vom Ballon aus der Stratosphäre eines Herrn Felix Baumgartner im Jahre 2021.
Um das Weiterleben Hochbetagter, sehr gebrechlicher Personen auch gegen ihren Willen, ist Österreich sehr besorgt. Es ist technisch kaum zu schaffen, einen freiwilligen Tod als Euthanasie zu erwirken. Wenn ich das Glas mit dem Gift nicht mehr selber halten und zum Mund führen kann, bin ich sowieso zum Weiterleben verurteilt. Die Bürokratie der Patientenverfügung bewegt sich knapp dahinter. Als lauerten die Ärzte und Apotheker und die liebenden Angehörigen und Freunde nur darauf, mir endlich das Gift einzuflößen, die Defibrillation zu verweigern.
Zur Ablenkung von soviel praktizierter Ethik ein kleiner Exkurs in die Theorie der Rechtsordnung.
- hätte sich der Todesfall durch Im-Stich-Lassen eines Verletzten in Europa ereignet, wäre jeder, der an ihm vorbeiging, bergauf oder bergab, strafrechtlich verfolgbar. So man sie identifizieren kann durchaus auch zweihundert Personen.
- Derjenige, der den Verletzen beschäftigt hat, faktisch ein Arbeitsverhältnis, hat möglicherweise seine Fürsorgepflicht verletzt. Etwa mehr Leute einzusetzen, als für die Trägeraufgabe erforderlich sind, um wahrscheinlichen Ereignissen in dieser Höhe zu begegnen, im Ggf. den Verletzen zu bergen.
- Wäre der Veranstalter ein Deutsches Unternehmen mit mehr als tausend Mitarbeitern, gälte das Lieferkettengesetz: Es muß sicherstellen, daß Arbeitsrecht auch in Entwicklungsländern eingehalten wird. Türkis-Ö. hat das Lieferkettengesetz (EU-Projekt bisher bekämpft. Wird in der Schweiz nur kommen, wenn es im künftigen EU-Rahmenvertrag vorgesehen ist).
- Schadenersatz: für diese Art Risiko gibt es keine Versicherung. Doch wären die o.a. rechtwidrig und schuldhaft handelnden Personen oder Einrichtungen – gegenüber den Hinterbliebenen – haftbar.
Anmerkungen:
Winston Churchill: „Sport ist Mord“. Tatsächlich sagte er „no sports“ auf die Frage, warum er noch hochbetagt so gesund war.
Baumgartner: Held im entbehrlichsten aller Bücher „Buch der Rekorde“.
§ 1157 ö. ABGB „Fürsorgepflicht“
§ 94 ö. StGB „Im Stich Lassen eines Verletzten“