Sonne, Strände, Nightlife, Entspannen; für die meisten Menschen das Erstrebenswerteste überhaupt. Die Realität des Reisens ist eine andere, das merkt man aber meist erst, wenn man angekommen ist. Der österreichische Journalist Wolfgang Godai, der bisher 167 Länder besucht hat, beschreibt die alltäglichen Katastrophen unterwegs mit fröhlichem Zynismus und Augenzwinkern.
Worum geht es?
Paradies – das wahrscheinlich meist verwendete Wort in Reisekatalogen und Reiseberichten, ob Print, Online oder im Fernsehen, ist ein Fake.
Die laut zahllosen Ranglisten schönsten Strände der Welt – und somit gern als Paradiese tituliert – verdienen diese Bezeichnung höchstens wegen ihrer Optik. Auf den Fotos oder Videos sieht man nämlich die Schwärme von Moskitos und Sandflies nicht, die jeden längeren Aufenthalt zur Hölle und zum Gesundheitsrisiko machen. Man sieht nicht, dass oft nicht einmal das Schwimmen möglich ist, weil Tropenstrände zu seicht sind und bei Ebbe nur noch aus scharfen Korallen, Felsen und Algen bestehen. Man sieht die lebensgefährlichen Quallen nicht, die an immer mehr Stränden der Welt das Baden zum Hochrisiko machen. Und man sieht nicht die Anzahl der Lautsprecher, die von jeder Bar-Theke oder Palme baumeln und den Badegast mit Reggae, Gangsta-Rap oder Schlager in Discolautstärke nonstop von frühmorgens bis spätabends zum Tinnitus oder in die Flucht treiben.
Wiener Flughafen kommt – wie viele andere – nicht gut weg
Textkostprobe gefällig? „VIE – Flughafen Wien: Der Flughafen Wien bietet seinen Gästen unter anderem eine einzigartige bürokratische Schikane bei der Handgepäckkontrolle. Reisende, die noch old fashioned ihre Spiegelreflexkamera mitnehmen, müssen diese am X-Ray nämlich auspacken und, wie das Notebook, extra hinlegen. Das gibt es meinen Recherchen und eigenen Erfahrungen nach nirgendwo sonst auf der Welt, nicht mal bei den ziemlich paranoiden nordamerikanischen und australischen Securities. Die Checker vor Ort verweisen nur auf eine EU-Verordnung, in der aber definitiv nichts über Kameras steht. Nach langem Mailverkehr erhielt ich eine Begründung von VIE: Für die Vollziehung der Verordnung sei unser Innenministerium zuständig. Und das hat die Kontrollfirmen angewiesen, dass, ich zitiere, „elektronische Gegenstände mit einer Basisfläche über der Größe A5“ separat kontrolliert werden müssen. A5 entspricht 14,8 x 21 cm. Ohne überdimensionale Teleobjektive sind aber fast alle Spiegelreflexkameras etwas kleiner, eine Höhenangabe gibt’s ja nicht. Wer sich für diese einmalige und unlogische Auslegung einer EU-Verordnung bedanken will: BM für Inneres, Referat für Zivilluftfahrt, und natürlich dem Flughafen Wien. In Graz, Klagenfurt oder Innsbruck darf man die Kamera nämlich im Handgepäck lassen.“
Die Tücken des Packens
Kostprobe 2: „Murphy’s Law, also das Gesetz, wonach sicher etwas schiefgehen muss, ist schon beim Packen allgegenwärtig. Denn egal, wie früh wir den Koffer füllen, wie penibel wir Packlisten anfertigen, wie routiniert wir sind – es nützt alles nichts. Irgendwann auf der Reise kommt ein Punkt, an dem sich herausstellt, dass wir etwas Wichtiges zuhause gelassen haben. Dass man in den Bergen keinen Mückenspray und in der Wüste keine warme Bekleidung benötigt, gehört ohnehin zu den legendärsten Irrtümern. Meistens fehlt aber genau jenes Medikament, von dem wir hundertprozentig überzeugt waren, dass wir es nicht brauchen werden. Besonders schikanös wurden übrigens zuletzt in vielen Ländern die Bestimmungen für Rauchen oder Dampfen. Dass Australien bei der Einreise nur noch eine Packung zu 25 Zigaretten pro Person erlaubt, liegt an der diesbezüglich restriktiven Gesundheitspolitik des Landes. Zigaretten gelten dort als verpönt und kosten ein Vermögen. Dass Einfuhr und Besitz der vergleichsweise wesentlich weniger gesundheitsschädlichen und nicht mal stinkenden E-Zigaretten in hochtouristischen Ländern wie Thailand oder Singapur sogar zu einer Haftstrafe führen können, ist nur noch lächerlich. Das schädlichere Rauchen ist nämlich erlaubt, sehr zur Freude der dort konkurrenzlosen Tabakindustrie.“
Ausgeliefert auf Gruppenreisen
Textkostprobe # 3: „Studienreisen“ werden Gruppenreisen in Länder meist genannt, die individuell nicht ganz einfach zu bereisen sind. In der Regel ist man dabei ein, zwei Wochen lang meist einheimischen FührerInnen und Fahrern sowie dreißig bis vierzig grenzenlos wissbegierigen Menschen (meist pensionierte LehrerInnen) in einem unbequemen Bus ausgeliefert. Und einer Gruppendynamik, deren Wucht jede Logik oder Flexibilität gnadenlos zunichte macht. Trotz schlechter Erfahrungen mit dem deutschen Veranstalter Ikarus buche ich im Sommer 2018 (das ist noch vor der gefälschten Wahl und den Massenverhaftungen) eine Gruppenreise durch Weißrussland. Schon im Vorfeld gibt es Ärger. So besorge ich mir mühsam und teuer ein Visum, weil Ikarus seine Kunden nicht rechtzeitig informiert, dass die Visapflicht für Österreicher bei Flugreisen kurz vor Reiseantritt geendet hätte.
Dass wir dann von dem hochinteressanten, landschaftlich und kulturell sehenswerten Land viel weniger sehen als erhofft, liegt natürlich auch am Veranstalter bzw. seiner örtlichen Agentur. Bei solchen Rundreisen ist Informations-Overkill schon fast Usus. Dafür stoppen wir gefühlt bei fast jedem Museum und schauen uns jede Kirche ausführlich von innen an. Das Highlight der sinnlosen Zeitverschwendung ist das einstige Chagall-Wohnhaus in Vitebsk. Marc Chagall mag zwar der berühmteste Künstler seines Landes sein, aber ich muss keine ausführlichen Details über das Kaffeehäferl des Malers wissen. Dass wir in dieser Woche viel zu wenig von den schönen, alten Städten und den herrlichen Landschaften sehen, ist dann logisch. Denn dafür ist keine Zeit.“
Über den Autor
Wolfgang Godai, geb. 1957 in Wien, aufgewachsen in Klosterneuburg, begegnet im Alter von 21 Jahren dem Journalismus. Nach mehreren Jahren im Fach- und Lokaljournalismus arbeitet er in der Wirtschaftsredaktion der Tageszeitung KURIER. Bald beginnt er, nebenberuflich Fotoreportagen über seine Reisen in Tageszeitungen und Magazinen zu veröffentlichen. 1996 wechselt er zum Fernsehen, wo er sich als Redakteur und Gestalter im ORF um Konsumentenschutz und Bürgerrechte kümmert, zuletzt in der Sendung „Bürgeranwalt“. Für den ORF produziert er in 22 Jahren rund eintausend Magazinbeiträge. Nebenbei besucht er bei jeder Gelegenheit neue Ziele und Länder – mittlerweile sind es 166 – und publiziert Reisestorys. Vom Hauptberuf hat er sich mittlerweile zurückgezogen und lebt in der Seenregion Unterkärntens.
Fazit:
Die meisten Episoden aus diesem Buch passieren Durchschnittstouristen zwar sicher nicht. Aber wer dieses Buch liest, wird hoffentlich nicht nur aus Schadenfreude lachen, sondern auch einige wichtige Tipps und Infos mitnehmen, wie genau dieser Schaden zu vermeiden ist. Das Werk ist bestens geeignet für all jene Menschen mit ständigem und unheilbarem Fernweh – aber natürlich auch für jene Stubenhocker und Heimscheisser, die sich über Reisevögel und Globetrotter köstlich amüsieren und sie stets zu belächeln wissen. Der Autor schreibt in einem genialen Stil, der bestens unterhält und stellenweise auch zum Nachdenken und zur Selbstreflektion anregt. Das Buch ist mit tollem Bildmaterial versehen und eignet sich auch bestens als Geschenk.