Mensch, wie bist du groß geworden? Das fragt das Vorarlberger Kinderdorf in der Initiative „Wir KINDER VORarlbergs!“ und lässt Menschen quer durch die Gesellschaft erzählen – erstmals auch im Rahmen einer Talk-Runde vor zahlreich erschienenem Publikum. Seit der Gründung vor über 70 Jahren entwickelte sich das Vorarlberger Kinderdorf zu einem Netzwerk umfassender Hilfestellungen für über 4000 Kinder, Jugendliche und deren Familien in Vorarlberg. Ressourcen vor allem für sozioökonomisch benachteiligte Kinder zu mobilisieren und das Bewusstsein dafür zu schärfen, was Kinder für ein gutes Aufwachsen brauchen, ist mehr denn je das Anliegen der Kinderschutzeinrichtung. Ungebrochen ist der Anspruch, Kinder zu ermutigen und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen.
Nach wie vor ungleiche Chancen
Denn knapp 20 Prozent aller Kinder im reichen Vorarlberg leben aktuell in instabilen, erschöpften Familien, denen die Kraft fehlt, sich verlässlich um ihre Kinder zu kümmern. Sie sind von Armut und Ausgrenzung bedroht oder betroffen, von Gewalt und Vernachlässigung. „Nach wie vor hängt die gesunde Entwicklung von Kindern davon ab, in welches Elternhaus sie geboren werden“, erklärt Simon Burtscher-Mathis, der gemeinsam mit Alexandra Wucher die Geschäftsführung des Vorarlberger Kinderdorfs innehat. Die Folgen für Kinder, die in armutsgefährdeten Familien aufwachsen, sind gravierend und wirken sich auf das ganze Leben aus. „Sie sind materiell und sozial, in ihren Gesundheits- und Bildungschancen benachteiligt“, hält Burtscher-Mathis fest.
Foto: A. Serra
Kinder vor!
Hier setzt die Initiative „Wir KINDER VORarlbergs!“ an, die unter dem Motto „Kinder vor!“ Kinder und ihre Bedürfnisse in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit stellt. Wie werden wir zu dem, wer wir sind? Und was macht eigentlich eine gute Kindheit aus? „Wir KINDER VORarlbergs!“ forscht nach stärkenden Kindheitserfahrungen und Perspektivengeber:innen. Herzstück bildet ein Blog, auf dem inzwischen über 100 Persönlichkeiten aus Vorarlberg davon erzählen, wovon sie als Kind profitierten und wer sie richtungsweisend prägte. Die Geschichten fügen sich zu einem facettenreichen Mosaik, das uns viel darüber sagt, was Kinder brauchen, um ihre Potenziale zu entfalten.
Positive Beziehungserfahrungen
„Kinder vor!“ hieß es auch im Freudenhaus in Lustenau, wo der erste „Wir KINDER VORarlbergs!“-Talk über die Bühne ging. Auf dem Podium ließen PR-Berater Martin Dechant, Hebamme Susanne Haunold, die Tänzerin und Sozialpädagogin Kader Sahin, Unternehmerin Clarissa Steurer, Fußballer, Musiker & Lehrer Noah Küng sowie dessen Vater und Perspektivengeber Nummer eins Gerd Küng das zahlreich erschienene Publikum an ihren sehr unterschiedlichen Kindheiten teilhaben. Im Fokus standen Erfahrungen mit Bezugspersonen und Vorbildern, die dem Leben eine, vielleicht die entscheidende Wendung gaben. Denn ob Lehrperson, Nachbar, Eltern, Großeltern oder Trainer:in – alle Geschichten zeigen, dass Kinder vor allem an Beziehungen wachsen.
Foto: A. Serra
Appell und Ermutigung
Anknüpfend an die persönlichen Schilderungen lieferten Natalie Gmeiner (Netzwerk Familie) und Wissenschaftsjournalist Franz Josef Köb fachliche Inputs u. a. über die Bedeutung positiver Bindungserfahrungen in der frühen Kindheit. Moderiert wurde die Talkrunde von Organisationsentwicklerin Ruth Allgäuer sowie Visavi-Gründer und Medienexperte Marco Esposito. Ein Abend, der viel Stoff für weitere Diskussionen lieferte und deutlich machte, wie wichtig es ist, Kinder und ihre Bedürfnisse ins Rampenlicht zu stellen ebenso wie junge Familien möglichst frühzeitig zu unterstützen – und der zugleich Appell und Ermutigung an alle ist, sich für neue Perspektiven für Kinder in Vorarlberg einzusetzen.