Alberts Notion: Hüsle baua

Dr. Albert Wittwer

Das Thema ist komplex. Der Historiker Yuwal Noah Harari wies in „Homo deus“ darauf hin, dass das freistehende Einfamilienhaus mit Rasen eine moderne Erfindung ist – im Versuch, den v.a. englischen Adel zu imitieren, der im Landsitz sömmerte. Er konnte es sich leisten, rundum einen Park anzulegen, in dem nichts Essbares wuchs.

Von Albert Wittwer

Heute steht der Bodenverbrauch mehr in Diskussion als die Verhüttelung der Täler, schon passiert, schlechter als etwa in Baden Württenberg, alle kleinen Häuser sorgfältig mit Asphaltsstraßen und Abwasserleitungen erschlossen. Die Politik und die veröffentlichte Meinung kann sich nicht entschließen, was schlimmer ist: Die Hortung des Bodens, des Baulandes, die immerhin die nicht nachwachsende Ressource Boden wenigstens vorerst schont. Oder doch die traurige Position als Bodenversiegelungs-Europa-Meister?

Von mehreren Seiten ruft man nach dem Gesetzgeber:

Abschöpfen von Umwidmungsgewinnen – das war bei der Volksabstimmung Ludesch zur Dosenlagererweiterung kein Thema. Den Umwidmungsgewinn hätten sich Industrie und die Verkäufer geteilt.

Zivilrechtliche Rückgabeverpflichtung bei Bau-Untätigkeit? Ein sicheres Einkommen für die Anwälte.

Leerstandsabgabe für ungenutzte Zweit- und Drittwohnsitze? In Österreich steht jede siebte Wohnung, daher Wohnungen für mehr als eine Million Menschen, leer. Daran werden rund zweitausend Euro Abgabe im Jahr nichts ändern. Aber, anders als die Lebensmittelvergeudung, kein echtes Anliegen. Die Unverletzlichkeit des Eigentums steht doch vor seiner sozialen Bindung. Das leerstehende Betongold teilt eine Eigenschaft mit dem echten Gold:  Es trägt keine Frucht, wartet bloß auf die Wertsteigerung am Markt.

Reduktion der Eigenmittelquote für Wohnungskäufer? Aber wie sollen sie dann die Schuldenlast tilgen? Klar, die Zinsen werden über unsere Steuern subventioniert, also wir zahlen die Zinsen, angesichts der Lohnsteuerquote, wieder selber. Nach einer bürokratischen Umverteilung. Das befürworten derzeit auch die Beton-Baumeister, dass über diesen Umweg ihr Absatz subventioniert wird.

Ein soziales, ökologisches, ökonomisches Dilemma. Jede Entscheidung ist falsch.

Wir müssen bei den Philosophen nachschlagen. Den Utilitaristen oder noch lieber bei Rawls/Nussbaum. Die ersteren wollten den Nutzen einer Maßnahme für die größte Zahl von Menschen. Die zweiten jedenfalls sicherstellen, dass die gesellschaftlich Schwächsten nicht zugunsten der Mehrheit geopfert werden.

Das Recht der Wohnung ist in der Europäischen Sozialcharta auch von Österreich anerkannt worden. Offen ist die Frage seiner Realisierung. Wer kann das schaffen? Jedenfalls nicht der sich selbst überlassene Markt.

Die Vermeidung früherer Fehler liegt für neue Wohnungen vor allem im sozialen Wohnbau, innerorts, in Nähe gewachsener Infrastruktur, in nachhaltiger Bauweise, verdichtet aber mit definierten zugehörigen Gärten, Gemeinschaftsräumen, durchaus auch mit der Option auf späteren Wohnungseigentumserwerb. Das hindert die Wohlhabenden nicht, ihre Dachböden edel auszubauen, ihre Dreifachgaragen endlich umzuwidmen. Oder endlich die Zweitwohnung zu vermieten.

Wenn die Vorarlberger Architekten und Bürgermeisterinnen und der Landtag mit hoher sozialer Kompetenz das nicht schaffen, wer soll es denn sonst hinkriegen?

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