Lassen wir uns doch nicht an der Nase herumführen mit Belanglosigkeiten, teils aber durchaus schädlicher Natur. Nicht nur, weil sie unsere wertvolle Aufmerksamkeit vergeuden, sondern die politische Agenda mit Nichtigkeiten vermüllen, sodass das Wichtige, etwa der Umweltschutz, untergeht.
Von Albert Wittwer
Für schädlich halte ich eine neue Initiative unseres Herrn Bundeskanzlers, unterstützt von Bundesminister für Inneres, zuvor Kurator seines heimatgemeindlichen Dollfuß-Museums: Schaffung eines Straftatbestandes für die „Schändung von staatlichen Symbolen“, wie etwa das Verbrennen von Fahnen fremder Staaten oder die Herabwürdigung ihrer Hoheitszeichen. Will der Kanzler die Symbole fremder Staaten über diplomatische Gepflogenheiten und das bisherige Strafrecht hinaus generell schützen, dürfte das u.a. gegen das Gebot der Freiheit der Meinungsäußerung verstoßen und verfassungswidrig sein.
Die Fahne, die Plakette, das Wappen sind ja unbelebte Gegenstände, sie empfinden keinen Schmerz. Ihre Beschädigung ist stets Sachbeschädigung, vorausgegangen oft eine Besitzstörung oder gar ein Einbruch. Aber die „Schändung“, man vergleiche die Wortwahl, etwa im Zusammenhang mit Kindern, die uns besonders nahestehen oder Verstorbenen, Leichen. Die Bezeichnung ist wohl bewußt gewählt, ähnlich wie das Wort „Missbrauch“, der verzweifelten Flüchtenden oder Arbeitslosen gleich unterstellt wird wie den Bedrohern unserer Schutzbefohlenen. Eine Art der Vorab-Diskriminierung.
Mit der Privilegierung des Schutzes der Fahne vor der „Schändung“, in religiöser Übersteigerung weg von der bloßen Sachbeschädigung, werden ausschließlich die Gefühle von Patrioten geschützt. Wer eine schwerwiegende Verletzung seiner Gefühle erleidet, sollte den Psychiater aufsuchen. So etwa auch die Partner unfolgsamer, fahnenflüchtiger Frauen – oder die Anhänger sehr alter, mehrfach hin- und herübersetzter, von Häretikern symbolisch verbrannter Bücher.
Bin ich mir meiner Zugehörigkeit zu diesem schönen, lebenswerten Staatswesen Vorarlberg und Österreich sicher, vertraue ich auf die wohlmeinenden, gutgeschulten Vertreter seiner Institutionen, kann mich die Verbrennung der österreichischen Fahne nicht entfremden. Wieso sollten Drittstaatsangehörige, die in Österreich für ihr Land demonstrieren wollen, für die Symbolik ihrer Staaten generell einen österreichisch-inländischen strafrechtlichen Schutz zuerkannt erhalten? Was ist das zu schützende Rechtsgut?
Der soldatische Eid auf die Fahne ist für einen religiösen Menschen eigentlich blasphemisch. Glücklicherweise hat das zivilisierte Österreich den Wehrersatzdienst eingeführt, auch wenn es sich nicht entschließen konnte, ein Berufsheer – die einzig sinnvolle Ausbildung in einem hochtechnisierten Beruf wie dem der militärischen Landesverteidigung – einzuführen. Damit ist die Fahnenflucht – hoffentlich für immer – obsolet.
Anmerkungen:
- ORF https://orf.at/#/stories/3338070/ „Nehammer will Fahnenschändungen verbieten“
- Bergpredigt: „Schwört überhaupt nicht…“ Matth. 5:34-36).
- Soweit ersichtlich, wurden die wenigen Fahnenflüchtlinge der deutschen Wehrmacht kaum rehabilitiert. Vgl. Alfred Anderschs autobiographisches Buch „Die Kirchen der Freiheit“.