Alberts Notion: Spitalweltmeister warum?

Dr. Albert Wittwer

Es trifft zu: Die öffentlichen Krankenhäuser in Österreich sind durchwegs überlastet – mit allen negativen Folgen, wie sie Peter Vaschauner in seinem Kommentar vom 8. November auf Gsi.News eindrücklich beschrieben hat.

Von Dr. Albert Wittwer

Wer ist gesund, wer ist krank?

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit wie folgt:

„Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.

Gut, das ist ein hehres, wohl meist unerreichbares Ziel, das ja keinesfalls ans Gesundheitswesen ausgelagert werden kann. Warum aber gehen wir so gerne ins Krankenhaus, genießen das Warteritual der Aufnahme, der Untersuchungen, das lange Liegen in den Betten, die unvermittelt angewendeten therapeutischen Maßnahmen, das Abwarten, bis die gemeinsame Toilette wieder frei ist, wollen das irgendwo gekochte und wiedererwärmte Cook-And-Chill-Menü essen?

Vereinfacht ausgedrückt: Es wird uns ambulant, „extramural“, im sogenannten niedergelassenen Bereich, nicht in allen Fällen geholfen, bei denen die Spitalsaufnahme vermeidbar wäre. Es ist nicht von vornherein klar, woher der Leidensdruck stammt. Österreich hat in ganz Europa die höchste Ärztedichte.

Der mutige amtierende Gesundheitsminister Johannes Rauch versucht, eine vorsichtige Reform durchzusetzen: „Digital vor ambulant und stationär…Hilfesuchende sollen zuerst einmal eine Online- und Telefonberatung in Anspruch nehmen, bevor sie einen womöglich überflüssigen Arztbesuch machen. Ist ein solcher unausweichlich, sollen die Patienten möglichst ambulant behandelt werden…Dies soll durch den flächendeckenden Ausbau von Primärversorgungseinheiten und anderer ambulanter Fachangebote…“ gelingen. Auch soll das Vetorecht der Ärztekammer beim Stellenplan, etwa der Verteilung von Ordinationen auf dem Land und ihre Besetzung, entfallen.

Eine weitere Änderung betrifft die Verschreibung von Wirkstoffen statt einer bestimmten Arzneimittelmarke. Damit können Arzneimittelengpässe besser verhindert und auch Kosten eingespart werden.

Die Ärztekammer kritisierte das ministeriale Vorhaben als „Aufkündigung der Sozialpartnerschaft.“ Das ist die Bezeichnung für Verhandlungsrituale und Plattformen zwischen den Verbänden der Unternehmer einerseits und der Gewerkschaften, also zwischen Dienstgebern und unselbstständig Arbeitenden. Mit der Beziehung zwischen niedergelassenen Ärzten und ihren Patienten hat die Sozialpartnerschaft keine Ähnlichkeit.

Wer vertritt, ähnlich wie die Standesorganisation der Ärzte einerseits die Patienten andererseits?

Gefühlt neunzig Prozent der Patienten, wenn man so will die Kunden des Gesundheitssektors, sind Pflichtversicherte ohne Opting-out.  Ein Mitspracherecht in Bezug auf die seitens des Medizinbetriebes für unsere Krankenkassenbeiträge gebotenen Leistungen ist an höhere, eher anonyme Stellen ausgelagert. Eine Information über die an die Ärzte bezahlten Honorare wird uns von der Sozialversicherung nicht zugemutet.

Die Ärztekammer droht mit Streik, den Medien zufolge damit, Sozialversicherte zwar weiter zu behandeln, aber nur gegen Rechnung. Die kann man dann bei der Krankenversicherung zum Kostenersatz einreichen. Immerhin hätte man dann Klarheit über die Kosten der Behandlung.

Wer sich wirklich krank fühlt – und wer außer dem Kranken selbst kann das beurteilen – kann ja kaum streiken und auf alle Behandlungen verzichten. Wir machen uns also auf den Weg in die nächste Spitalsambulanz? Die öffentlichen Krankenhäuser müssen „unabweisbare Patienten“ jedenfalls aufnehmen (§§ 23 u. 26 Krankenanstaltengesetz). Der öffentliche Dienst, dazu gehört das Personal der öffentlichen Krankenhäuser, darf nicht streiken.

Wir wollen nicht, dass die Krankenpfleger und Ärztinnen der Krankenhäuser, um nur einige unserer wertvollen Behandelnden zu erwähnen, kündigen und auswandern. Auch nicht die niedergelassenen Ärzte und die Diplomierten der Krankenpflegevereine. Also dürfen wir uns zum Jahresende vielleicht die Reform des Gesundheitsministers Rauch für das Gesundheitswesen wünschen.

Anmerkungen:

Umfangreiche Berichterstattung zur Reform in den Printmedien, etwa

Die mobile Version verlassen