Meisterleistung interdisziplinärer Zusammenarbeit am LKH Feldkirch
Ein interdisziplinäres Operationsteam hat am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch einen äußerst seltenen Eingriff erfolgreich gemeistert: Weil bei einem 48-jährigen Patienten nach behandeltem Kehlkopfkrebs neuerlich ein bösartiger Tumor (Rezidiv) aufgetreten war, musste nun unter anderem der obere Teil seiner Speiseröhre entfernt werden. Als Ersatz wurde dem Mann ein Teil des mittleren Abschnitts seines Dünndarms (Jejunum) eingenäht. „Die radikale Tumorresektion mit Gewebeersatz und Gefäßanschluss war seine einzige Chance“, erklärt Chefarzt Prim. Dr. Wolfgang Elsäßer die Motivation für den Eingriff.
„Man kann es durchaus als eine Meisterleistung der interdisziplinären Zusammenarbeit bewerten“, resümiert der medizinische Leiter des LKH Feldkirch. An der rund zehnstündigen Operation waren Spezialist:innen aus drei medizinischen Bereichen beteiligt: aus der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, der Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie sowie aus der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie. Der Eingriff selbst verlief komplikationslos. Heute, gut drei Monate nach der OP, ist der Patient beschwerdefrei und kann wieder ganz normal essen und trinken.
Radikaler Eingriff als einzige Chance
Bereits im Frühjahr 2022 hatte dem 48-Jährigen aufgrund seiner Krebserkrankung der komplette Kehlkopf entfernt werden müssen (totale Laryngektomie). „Mit einer operativ eingesetzten Stimmprothese konnte er danach wieder gut sprechen und hatte auch seine Arbeit bereits wieder aufgenommen“, umreißt der Leiter der HNO-Abteilung, Chefarzt Prim. Dr. Elsäßer, die Vorgeschichte des Patienten. Über ein Jahr später war der Krebs wieder da: „Aufgrund des Rezidivs war nun dieser große interdisziplinäre Eingriff notwendig geworden. Diese radikale Operation war seine einzige Chance: Denn im Vorfeld war bereits eine Strahlentherapie verabreicht worden – diesbezüglich standen also keine Reserven mehr zur Verfügung.“
Anfang August 2023 ist die Operation durchgeführt worden. „Voraussetzung für so einen Eingriff ist eine entsprechend körperliche Fitness“, sagt Prim. Prof. Dr. Ingmar Königsrainer, Leiter der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie. „Genauso wie viel Motivation, Vertrauen in das gesamte Betreuungsteam und Rückhalt durch die Familie“, ergänzt Prim. Dr. Elsäßer.
Tumorgewebe komplett entfernen
Um sicherzustellen, dass keine Tumorzellen im Körper verbleiben, müssen die Ärztw nicht nur den Tumor selbst, sondern – je nach Größe und Stadium – über dessen Grenzen hinaus Gewebe entfernen. Im konkreten Fall war es daher notwendig, auch den gesamten Schlund (Pharynx-Trichter), die Schild- und Nebenschilddrüsen (Glandula thyreoidea und parathyroidea) sowie den oberen Teil der Speiseröhre (Ösophagus) operativ zu entfernen, um das Tumorgewebe komplett zu beseitigen.
Das HNO-Team hat zunächst diese Tumorentnahme durchgeführt. „Die Resektion erfolgte offen, um alle wichtigen anatomischen Strukturen einsehen zu können“. Eine sofortige, intraoperative Schnellschnittuntersuchung (also eine Gewebeanalyse noch während des Eingriffs) hat ergeben, dass die Resektion „im Gesunden“ erfolgte, sprich: dass der Tumor vollständig entfernt werden konnte.
Symbolbild ©VLKH/Mathis
Dünndarmteil als Ersatz
Danach galt es, den gesunden Teil der Speiseröhre wieder anzufügen. Die Speiseröhre verbindet den Schlund mit dem Magen. Ihre Länge beträgt beim gesunden Menschen zwischen 25 und 35 Zentimeter. Um fehlende Abschnitte zu ersetzen, kann auf Teile des Magens, des Dick- oder des Dünndarms zurückgegriffen werden.
Die Ärzt:innen in Feldkirch haben sich für eine Überbrückung mit einem Dünndarmsegment entschieden, eine Maßnahme die äußerst selten zum Einsatz kommt: „Da es sich um einen Tumor im Halsbereich handelte und somit eine obere Verbindung notwendig geworden war, wäre die Strecke für einen Magenschlauch zu lang, und ein Dickdarminterponat wäre hier funktionell schlechter und mit eingeschränkteren Lebensqualität verbunden gewesen“, führt Prim. Prof. Dr. Königsrainer aus: „Daher fiel unsere Wahl auf ein freies Dünndarminterponat.“
Zeitlich und organisatorisch aufwändig
Sämtliche notwendigen Eingriffe erfolgten innerhalb eines einzelnen Operationstermins: „Die sogenannte Schnitt-Naht-Zeit begann um 8.20 Uhr und endete um 15.50 Uhr“, blickt Prim. Priv.-Doz. Dr. Gabriel Djedovic auf den intensiven OP-Tag zurück; der Mediziner leitet die Abteilung für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie. Alles in Allem spannte sich die Operation samt Wundverschluss über zehn Stunden hinweg und war damit auch organisatorisch und zeitlich herausfordernd: „Die dafür in Frage kommenden Operateur:innen mit entsprechend viel Erfahrung müssen am Tag X Zeit haben“, erläutert Chefarzt Elsäßer. „Und an diesem Tag muss auch ein Intensivbett frei sein. Bis es überhaupt zur Operation kommt, leisten alle Beteiligten viel Vorarbeit: Tumorboard, Aufklärung, Bildgebung, Vorbesprechungen – nicht nur innerhalb der ärztlichen und pflegerischen Teams, sondern auch mit dem Patienten selbst und dessen Familie. Natürlich werden auch Behandlungsalternativen besprochen und der zu erwartende funktionelle Ausgang des Eingriffs.“
Jeder geplante Schritt ist entscheidend
Während des Eingriffs läuft die Zusammenarbeit der Spezialist:innen Hand in Hand nach einer vorab exakt abgesprochenen Reihenfolge ab: Bei derart hochtechnischen interdisziplinären Eingriffen ist jeder geplante Schritt entscheidend für den Erfolg der Operation:
Ø Nach der Tumorentfernung durch die HNO-Spezialist:innen sorgte das Team der Allgemeinchirurgie zunächst für die Entnahme eines passenden Dünndarmteils: „Wir haben in einer Mini-Laparotomie (winziger Einschnitt zur Öffnung der Bauchhöhle) ein Jejunum-Segment mit einer geeigneten und ausreichend langen Gefäß-Arkade (Vene und Arterie) gewonnen“, berichtet Prim. Dr. Königsrainer. „Die beiden Dünndarmenden wurden anschließend wieder zusammengefügt und der Bauch verschlossen.“
Ø Dann war das Team der Plastischen Chirurgie an der Reihe, um den Anschluss an den Halsgefäßen durchzuführen: „Nach der Einnaht des Dünndarminterponates durch Primar Königsrainer haben wir mit Hilfe einer Lupenbrille geeignete Anschlussgefäße gesucht, um die Durchblutung des Dünndarmteils wiederherzustellen. Das war aufgrund der zahlreichen Voroperationen und der vorangegangenen Bestrahlung am Hals noch eine besondere Herausforderung“, erklärt Prim. Dr. Djedovic. Unter dem Mikroskop wurden schließlich die
passenden Dünndarmgefäße an die freigelegten Halsgefäße angeschlossen: „Hier werden Fäden eingesetzt, die dünner sind als das menschliche Haar“, verdeutlicht Primar Djedovic.
- Ø Nachdem die Durchblutung des Dünndarms wiederhergestellt war, musste aufgrund der fehlenden Haut am Hals der große Brustmuskel auf der linken Seite des Patienten abgehoben und auf den Hals hochgeschlagen werden: „Dabei wird der Muskel soweit präpariert und abgesetzt, dass nur mehr die versorgenden Blutgefäße des Muskels eine Verbindung zum Brustkorb haben“, erklärt der Plastische Chirurg. „Der Muskel selbst wird vollständig unter der Haut der Schlüsselbeinregion in die Halsregion hochgezogen, bis er das Dünndarminterponat bedeckt. Im Anschluss haben wir ein Hauttransplantat vom Oberschenkel über diesen Muskel gelegt.“
- Ø Nach sorgfältiger Einpassung und Vernähen des Hauttransplantates konnte das Fachteam abschließend eine Tracheostoma-Kanüle in die Luftröhre einsetzen.
Komplikations- und beschwerdefrei
Das gesamte Team ist froh und zurecht stolz darauf, dass der interdisziplinäre Eingriff völlig komplikationsfrei abgelaufen ist: „Der Patient konnte am 20. postoperativen Tag das Krankenhaus bereits verlassen – und das mit ungestörtem Schluckakt, ohne Wundheilungsstörung und in einem sehr guten Allgemeinzustand: „Unser Patient war gerade bei mir zur Kontrolle“, freut sich Primar Dr. Djedovic: „Es geht ihm sehr gut, er ist völlig beschwerdefrei und kann schon essen und trinken.“
Und obwohl eine neuerliche Stimmprothese nicht mehr eingesetzt werden kann, besteht laut Prim. Dr. Elsäßer „mithilfe von Logopäd:innen und speziellen Übungen die Möglichkeit, eine Ersatzsprache zu entwickeln“. Der Patient wolle j