Das umfangreiche Wissen rund um Traditionelle Bewässerung ist Teil des immateriellen UNESCO-Kulturerbes geworden. Die multinationale Nominierung koordinierte Österreich in Zusammenarbeit mit Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande und Schweiz und wurde in die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ eingetragen.
Ebenso erfolgreich verlief die Erweiterung des bereits 2019 für Österreich, Griechenland und Italien aufgenommenen Elements der Transhumanz um weitere 7 Länder: Albanien, Andorra, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Rumänien und Spanien.
„Sowohl die Traditionelle Bewässerung als auch die Transhumanz zeigen die enge Verbindung von Natur und Mensch. Die Weitergabe dieses traditionsreichen Wissens und der erforderlichen Fertigkeiten sind ein wichtiger europäischer Kulturfaktor und dienen der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere im Umgang mit regionalen Ressourcen. Ich freue ich mich über die beiden Neuzugänge in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. Damit werden lebendige Traditionen sichtbar gemacht und das Bewusstsein um die Vielfalt unseres kulturellen Erbes gestärkt“, so Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer über die Aufnahmen in die UNESCO Liste.
Traditionelle Bewässerung – Eine Jahrtausendealte Tradition in Europa
Traditionelle Bewässerung ist eine landwirtschaftliche Bewässerungsart, die auf strategischer Nutzung der Schwerkraft und manuell angelegter Konstruktionen wie Kanäle und Gräben beruht, um Wasser aus verschiedenen natürlich vorkommenden Quellen in die Felder zu leiten. Die Bewässerer wählen bestimmte (oft über Regelwerke vorgegebene) Zeiträume aus, an denen sie das Wasser aus den Kanälen zu den Feldern umleiten. Um die Felder zu bewässern, werden vorübergehend kleine Gräben ausgehoben oder das Wasser aufgestaut und künstliche Überläufe geschaffen. Ein umfangreiches Verständnis der Landschaft, des Wasserflusses und der Wetterbedingungen ist erforderlich, um diese Methode nachhaltig und effizient anwenden zu können.
Bild: Mauro Gambicorti
Immaterielles Kulturerbe und die UNESCO – regionale Traditionen und lokales Wissen schützen und dokumentieren
Ergänzend zur UNESCO-Welterbekonvention wurde 2003 die Konvention zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes von der UNESCO ins Leben gerufen. Damit wurde der Fokus auf das überlieferte Wissen der Menschen und ihren Umgang mit lokalen Ressourcen und Gegebenheiten gesetzt und den vielfältigen gelebten Traditionen internationale Aufmerksamkeit geschenkt.
Traditionelle Bewässerung als Jahrtausende altes Wissen leistet einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zum Umgang mit regionalen Ressourcen und fördert den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft. So trägt die Praxis durch ihren Beitrag zur Grundwassererhöhung beispielsweise dazu bei, Hochwassergefahren, sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf lokaler Ebene abzumildern (SDG 13 Klimaschutz). Die mit der Bewässerung verbundenen Kanäle (Waale) tragen ebenso positive zur Erhaltung und Erhöhung der lokalen Biodiversität bei (SDG 15 Leben an Land).
Die traditionelle Bewässerung stellt bis heute eine auf Kooperation basierende, nachhaltige, energieunabhängige und auf die biologische Vielfalt ausgerichtete Lösung für die Wasserversorgung in der Landwirtschaft dar. Sie ist für die Ausübenden selbst sowie für die weitere Gesellschaft und die Umwelt von großer Bedeutung.
„Die Aufnahme der Traditionellen Bewässerung sowie die Erweiterung der Transhumanz um weitere Staaten ist eine besondere Freude für die Österreichische UNESCO-Kommission. Sie zeugen einerseits von dem großen Engagement aller beteiligten Gemeinschaften, aber auch von dem wichtigen Beitrag, den kulturelles Erbe im Umgang mit der Natur und Umwelt innehat: die Förderung integrativer wirtschaftlicher Entwicklung auf lokaler und internationaler Ebene und den Erhalt von Biodiversität. Traditionelle Bewässerung und die Transhumanz prägen nicht nur die umliegenden Landschaften nachhaltig, sondern sind auch tief in der Identität der ausübenden Träger*innen verankert – denn Immaterielles Kulturerbe wird von den Menschen getragen, die es ausüben. Vor diesem Hintergrund freut es mich sehr, dass diese beiden multinationalen Eintragungen nun auch für Österreich die Vielfalt von lebendigem Erbe international bereichern.“, freut sich Sabine Haag, Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission.
Erweiterung der Transhumanz – Immaterielles Kulturerbe vereint nun 10 Länder
Transhumanz ist eine effiziente und nachhaltige Naturweidewirtschaft, insbesondere in Bezug auf die Nutzung natürlicher Ressourcen und Landbewirtschaftung. Die Traditionsträger*innen verfügen über unglaubliches Erfahrungswissen in den Bereichen Umwelt, ökologisches Gleichgewicht und Klimawandel.
In Österreich gibt es die Transhumanz vor allem in den Ötztaler Alpen. Die Wanderungen – ausgehend von Südtirol nach Tirol und zurück – gelten als die einzige grenzüberschreitende Transhumanz in den Alpen, die über Gletscher führt. Über viele Generationen hinweg haben sich durch die Transhumanz soziale und kulturelle Beziehungen zwischen den Menschen „hüben und drüben“ der Berge entwickelt. Alte Rituale und Bräuche wie etwa das Festlegen der Weideplätze und die Zahl der Schafe, die Bezahlung oder der gemeinsame Kirchgang vor dem Übertrieb werden bis heute ausgeübt.
Wer entscheidet über eine Aufnahme auf UNESCO Ebene?
Die Vertragsstaatenkonferenz ist das oberste Organ der 2003er UNESCO-Konvention zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes, der bisher 181 Staaten beigetreten sind, und wählt u.a. das Zwischenstaatliche Komitee. Jeweils 24 Mitgliedstaaten sind für eine Amtszeit von vier Jahren im Zwischenstaatlichen Komitee vertreten und entscheiden über die Aufnahme von Elementen in die drei internationalen Listen.