Die in Vorarlberg gestrandeten, aus anderen Ländern Geflüchteten, sollen einen eigenen „Kodex“ bekommen. Ein großes Versprechen.
Von Dr. Albert Wittwer
Ein Kodex bezeichnet eine nach längerer bewährter Übung erfolgte Zusammenstellung von Gesetzen, Vorschriften. Also ein edleres Regelwerk. In die Geschichte der Menschheit prominent eingegangen ist der Kodex Hammurapi. Das ist die menschheitsgeschichtlich erste in Tontafeln und auf Stein geritzte Aufzeichnung von Rechtsvorschriften. Er stellt einen Meilenstein für das geregelte Leben in der Gemeinschaft dar, zumal er nicht (mehr) auf die Willkür des Herrschers abstellte, sondern auch für den König und Adel Geltung besaß. Da hätten auch die türkis-blauen Koalitionspolitiker, die verlangten, das Recht müsse dem politischen Willen folgen, schon etwas lernen können. Gut, das geht nicht, Hammurapi war ein Ausländer, ein Iraker.
Inzwischen sind die Kodizes inflationärer verbreitet, es gibt welche fürs Büro, für Telefonate, für die Tischmanieren und in Form interner Dienstanweisungen für Beamte in Ministerien. Natürlich sind moderne Kodizes nicht frei von Wokeness, es wird hingebungsvoll gegendert.
Das ist ein passender Übergang für den in Planung befindlichen Vorarlberg Kodex für Asylwerber. Er wird für derzeit genau 1224 Personen gelten – soviele Asylwerber genießen auf Kosten des Landes ein Taschengeld von vierzig Euro. Ich traue mich nicht zu fragen, ob pro Woche oder im Monat.
Dieses Taschengeld soll gekürzt werden, wenn sich die Asylwerber nicht verpflichten, „freiwillig“ den Vorarlberg Kodex zu unterschreiben, wonach sie sich implizit doch verpflichten, gemeinnützige Arbeit zu leisten.
Das Innenministerium, geführt von einem Ex-Bürgermeister, der vor kurzem noch einem Dollfuß-Museum vorstand, hat wenig verwunderlich eröffnet, das sei verfassungsrechtlich zulässig weil keine Zwangsarbeit. Die ist sogar im Gefängnis verboten. Was genau gemeinnützige Arbeit sein wird, wer weiß es? Ich halte es ohne tiefere Prüfung nach der Europäischen Grundrechtscharta für wahrscheinlich, daß es die Menschenrechte, die jedem angeborene Würde, verletzt, wenn einem in Vorarlberg lebenden Menschen in dieser Konsum- und Warengesellschaft der letzte Rest finanzieller Autonomie genommen oder an Arbeitspflicht geknüpft wird.
Freilich ist Arbeit in und für die Gemeinschaft hoch integrativ, persönlich bereichernd, gibt dem Tag und dem Leben Struktur, verschafft Kontakte und Anerkennung. Sehr viel i.w.S. gemeinnützige Arbeit wird freiwillig und ohne jede finanzielle Zuwendung geleistet. Aber freiwillig oder, man denke an die Fürsorgeverpflichtung von Eltern gegenüber ihren Kindern, von Kindern gegenüber ihren Eltern, aus ethischen Gründen und beruhend auf älteren bewährten Regelungen, etwa des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem habsburgisch-kaiserlichen Jahr 1812.
Es ist auch nicht so, daß die Geflüchteten so freiwillig hier sind, etwa wegen des Taschengeldes. Wer von uns würde gerne seine Heimat, seine Familie und Freunde auf Dauer verlassen, selbst wenn wir uns ohne Mühe Flugtickets oder Buskarten kaufen, mit dem EU-Pass fuchteln können und keine Schlepper brauchen? Sehen Sie?