Der österreichische Staat in seinen Erscheinungsformen Bund, Länder, Gemeinden hat eine heikle, umfangreiche Intimsphäre.
So hat die verdienstarme Gesundheitsministerin Hartinger-Klein zahlreiche Bundesverwaltungsakten geschreddert, statt dem Staatsarchiv übergeben, auf dass sie nicht von uns Unterlingen, Zeithistorikern oder gar Journalistinnen gelesen werden. Die von ihr administrierte Zusammenlegung der Krankenkassen brachte zwar eine funktionärsparteiliche Umfärbung, neudeutsch als Postenschacher diffamiert, aber keinerlei Einsparungen, vielmehr Mehraufwände.
Von Dr. Albert Wittwer
Die Fürsorgeakten des Landes Niederösterreich modern unter Geheimverschluss. Zur Erinnerung, das ist jenes schon von Grillparzer als Heimat besungene Bundesland, in dem bis vor kurzem ein Bub in einer Hundehütte gehalten wurde. Er ist wohl lebenslang traumatisiert und entkam nur knapp und unterernährt dem Tod. Die Kindeswohlkommission unter Leitung der verdienstvollen OGH-Präsidentin Grisser geht die verlorengegangene, vergebliche Fürsorglichkeit der Landesbehörde nichts an. Akteneinsicht wurde ihr verwehrt. Das würde die Öffentlichkeit schwer verunsichern! Wir rätseln, welches Rechtsgut durch die Verschwiegenheit in Bezug auf die zu vermutende Untätigkeit der Landesverwaltung geschützt wird. Es ist wohl der ruhige Schlaf der politischen Führung und ihrer treuen Amtsdienerschaft.
Die Manager der Vorarlberger Hypobank unterlagen dem Charme des Rene Benko und finanzierten unter anderem ein als Hotel getarntes Privatdomizil am Arlberg und Immobilien in Südtirol. Alles ist irgendwie besichert, mit hohen Beträgen aber leider nicht im Grundbuch, sondern durch die Garantie einer der angeblich achthundert Signa-Schachtel-Töchter. Alles sehr seriös und fundiert. Wer kennt sich bei solchen Geheimstrukturen noch aus? Das Hypo-Management? Die Hypo gehört ja überwiegend uns sonst bodenständigen Vorarlbergern. Wir nüchternen Alemannen sind vom Lebensstil der mutmaßlich Superreichen nicht geblendet. Wir zahlen die Rechnung. Falls wir doch mal fliegen oder im Hotel am Arlberg wohnen, muss uns das, anders als dem Benko, nicht das Finanzamt vergüten. Wie es dazu kam, dass die Ländle-Bank den Benko mitfinanzierte, verbirgt das Bankgeheimnis. Aber der Rechnungshof darf immerhin ermitteln.
Dankenswerterweise lassen sich weder die Gerichte noch die Qualitätsmedien mit Geheimhaltungsvorschriften, die denen nützen, die was zu verbergen haben, abspeisen. Auch die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, ein wichtiges Minderheitenrecht, leisten einen Beitrag. Und dann wird mit Glück im Jahre 2025 das Informationsfreiheitsgesetz nach hundert Jahren Amtsverschwiegenheit, in Kraft treten.
Obwohl die Gemeindeverbandspräsidenten befürchten, dass die kleineren Gebietskörperschaften unter der Fülle der Auskunftsbegehren zusammenbrechen. Wie lästig kann es sein, von der Gemeinde bezahlte Studien und Gutachten, sagen wir über eine Baulandwidmung zur Erleichterung weiterer Bodenversiegelung, den Menschen zugänglich zu machen, die der örtlichen Gemeinschaft angehören?
„Der Wahn aller Regierenden, vom Minister bis zum Pedell herab, ist, dass das Regieren ein großes Geheimnis sei, welches dem Volke zu seinem Besten verschwiegen werden müsse.“
Ludwig Börne
Anmerkungen
- Offizialdelikt: Verletzung Amtsgeheimnis: § 310 StG, bis zu drei Jahren Gefängnis, wird allerdings neuerdings nur über Anzeige verfolgt.