Ausgerechnet die Schweizer Omas gewannen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen spektakulären Prozess gegen die Eidgenossenschaft. Sie ist schuldig, das Privat- und Familienleben zu wenig zu achten. Die Menschen haben ein Recht darauf, „vor den schwerwiegenden Folgen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität“ geschützt zu werden. Das Urteil ist direkt auf Österreich übertragbar.
Von Dr. Albert Wittwer
Wenig überraschend hat Österreich, d.h. das Bundeskanzleramt, im Prozeß gegen die Klimaseniorinnen die beklagte Eidgenossenschaft unterstützt. Wir sollten uns nicht so anstellen, brav schuften, konsumieren, uns ruhig verhalten und Fußball schauen. Bei allen Nachrichten die Aufmerksamkeit ausblenden – bis im Winter Super-g, im Sommer Bundesliga thematisiert wird. Dann haben wir auch keine psychischen Probleme!
Noch wähnt sich die offizielle Republik in Sicherheit. Auf Grund der EU-Klimaziele (die von uns verfehlt werden) sei die Rechtslage hier eine andere. Außerdem sind direkte Maßnahmen aus dem Urteil nicht abzuleiten. Das wird sich rasch als Irrtum herausstellen:
Meine Prognose: Der österreichische Verfassungsgerichtshof, der traditionell den demokratischen Prozeß der Gesetzgebung nur vorsichtig korrigiert (sh. Sterbehilfe, Asyl- und Transgender-Rechtsschutz), wird aus der Deckung gehen. Sowohl direkt Betroffenen als auch Non-Profit-Organisationen wird rasch ein Rechtsweg eröffnet. Dann können sie auf zivilen Ungehorsam wie Klimakleben verzichten.
Beispielsweise sind Klagen gegen die steuerliche klimaschädliche Begünstigung etwa von Flugreisen (Höchststand aller Zeiten) und gegen Verfahrensvorschriften, die der Energiewende entgegenstehen, zu erwarten. Gesetzliche Blockaden können überwunden werden. Etwa hat sich der Landeshauptmann von Vorarlberg vor wenigen Tagen kritisch zu verfahrensrechtlichen Behinderungen beim Ausbau des Lünerseekraftwerks II geäußert.
Die Klagen können aber den notwendigen demokratischen Prozeß bloß unterstützen und begleiten. Die ins Parlament gewählten Mandatare müssen mit ihren umfangreichen Stäben und „Kabinetten“ den Teil der Bevölkerung, der die Zeichen der Natur, das Menetekel nicht lesen kann, endlich abholen. Statt über Corona oder Umvolkung zu schwafeln.
So traurig uns das Schicksal der Bevölkerung und der dienstverpflichteten Männer in den unseligen Kriegen in der Ukraine, in Gaza und Israel stimmen mag, so sehr bisher die Vernunft bei diesen Krisen versagt hat, ist die Bedrohung durch das „Kapitalozän“, Hauptschuldiger der Klimakrise, die noch größere Herausforderung.
Zitate:
- Immanuel Kant (vor 300 Jahren geboren): „Der Friede ist das Meisterwerk der Vernunft.“
- EU Gerichtshof für Menschenrecht, etwa Der Standard, Wirtschaft und Recht, 16.4.2024 S. 18, 11.4.2024 u.v.a.
- Kapitalozän: Paul Crutzen, Nobelpreis f. Chemie im Economist 2011, nicht die Menschheit als gesamte, sondern der Kapitalismus ist verantwortlich; sh. a. Ernst Langthaler in Standard v. 8.4.2024 S. 19;
- “ Laut einer Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo hat der österreichische Staat zwischen 2016 und 2020 jährlich 4.1 bis 5.7 Mrd. Euro an klimaschädlichen Subventionen vergeben. Zu den höchsten fossilen (indirekten) Subventionen in Österreich zählen das Pendlerpauschale und das Dieselprivileg.“
- LH f Vbg: https://vorarlberg.orf.at/stories/3253342/