Wieviel Sicherheit braucht ein Kind? Netzwerk Familie traf mit einem „Runden Tisch“ den Nerv der Zeit.
Was Kinder brauchen, um zu mutigen Weltentdeckern zu werden, legte die Psychologin Anne Künster im Rahmen einer ausgebuchten Diskussionsveranstaltung dar. Erstmals wurde der beliebte „Runde Tisch“ in Kooperation mit der Initiative „Sicheres Vorarlberg“ durchgeführt. Laut Anne Küster lernen Kinder am besten und trauen sich am meisten, wenn sie sich geschützt und sicher fühlen. „Unabdingbar dafür ist vor allem die Beziehung zu einer einfühlsamen Bindungsperson“, so die Leiterin des Instituts für Kindheit und Entwicklung in Ulm. Diese stabile Beziehung zu einer verlässlichen Bezugsperson sei „die Grundvoraussetzung für die gefühlte innere Sicherheit, um mutig im Außen zu agieren“.
Mehr Abenteuer statt Wattebausch Im Anschluss an den Impulsvortrag setzte sich eine spannend besetzte Gesprächsrunde im Krankenhaus Dornbirn mit der Frage auseinander, welche Erfahrungen Kinder brauchen, um offen für die Welt und ihre Abenteuer zu sein. Die Mountainbike-Downhillerin Rebecca Marte berichtete mit leuchtenden Augen von ihrer Arbeit mit Kindern. Diese hätten ein „irrsinnig gutes Gefühl dafür, was sie können und was sie nicht können“. „Wir müssen wieder mehr aufs Bauchgefühl hören“, meinte die Sportlerin. „Es geht um liebevolle und einfühlsame Begleitung und darum, Kinder zu bestärken, dass sie etwas schaffen können.“ Auch Anne Künster bestätigte diese Aussage. „Kinder wissen, was sie brauchen. Eltern tendieren dazu ihre Kinder zu sehr in Watte zu packen.“
Foto: Vorarlberger Kinderdorf
„Kinder verlernen Treppensteigen“ „Nicht jeder Unfall kann verhindert werden.“ Diese Aussage machte Mario Amann von „Sicheres Vorarlberg“. „Kleine Unfälle gehören zum Großwerden dazu“, meinte der Sicherheitsexperte. In diesem Zusammenhang wies Stephan Schirmer von Netzwerk Familie auf schrumpfende Freiräume für Kinder hin: „Diese werden zunehmend weniger und kleiner.“ Aus seiner Erfahrung als Kinder- und Jugendfacharzt ergänzte Harald Geiger, dass Kinder immer mehr an Fähigkeiten verlieren würden. „Wichtige Erfahrungen werden Kindern verwehrt. Beispielsweise verlernen Kinder das Treppenlaufen durch häufiges Liftfahren.“ Alle Podiumsgäste – darunter auch Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer – beklagten, dass Kinder in Vorarlberg heute deutlich weniger Bewegungserfahrungen als früher machen dürfen. Dabei seien Freiräume für Bewegung und Begegnung mit anderen Kindern essenziell für die Entwicklung zum selbstständigen und selbstbewussten Erwachsenen. Das Podium war sich einig: Das Leben ist ein Risiko. Trauen wir unseren Kindern wieder mehr zu.
Riskantes Spielen Genau darum fand am darauffolgenden Tag ein Workshop zum Thema „Risky Play – Das riskante Spielen“ mit Andrea Sturm statt. Die erfahrene Pädagogin und Physiotherapeutin rundete die Kooperationsveranstaltung ab, indem sie die Brücke zwischen Schutzgeben und Ausprobierenlassen schlug. „Kinder brauchen stabile Beziehungen, aber genauso altersgerechte Freiheiten“, bringt Ariane Brugger vom Vorarlberger Kinderdorf die Quintessenz der Veranstaltung auf den Punkt. „Wir sind alle in der Verantwortung, Kindern Erfahrungen der Selbstwirksamkeit, des Selbermachens und der Freiheit zu ermöglichen.“