Wie umgehen mit kindlichen Gefühlen? Das Vorarlberger Kinderdorf holte dazu die renommierte Psychotherapeutin Anne Künster ins Ländle. „Gefühle sind wie der Dirigent in einem Orchester“, sagte die Familientherapeutin und Leiterin des Instituts für Kindheit und Entwicklung in Ulm in der Reihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs.
Emotionen würden nicht vom Himmel fallen, sondern von Bindungsprozessen und kulturellen Konventionen abhängen. „Kinder lernen Stress- und Gefühlsregulation in der Beziehung“, so Künster im gut besuchten „KIMI“ in Lustenau. „Sie brauchen dafür zuverlässige und feinfühlige Bezugspersonen.“ Die zentrale Rolle von Eltern sei es, auf ihre Kinder aufzupassen, sie zu trösten und zu unterstützen. „Sie sind der sichere Hafen und immer dann da, wenn das Kind allein nicht klarkommt.“
Starke Bindung als „super Investment“
Eine gute Begleitung in den ersten Lebensjahren ist laut Künster ein „super Investment“: „Kinder entwickeln sich sowohl körperlich als auch psychisch nicht im luftleeren Raum. Wenn sie liebevolle Fürsorge erfahren, lernen sie, auch später als Erwachsene mit ihren Gefühlen umzugehen“, erklärte die Psychologin. Diese „Gefühlsschule“ beginne schon im Babyalter. „Wir neigen dazu, dass wir die negativen Gefühle weghaben, beispielsweise Schreien schnellstmöglich stoppen wollen. Vielmehr geht es aber darum, erst einmal Verständnis zu zeigen, statt gleich abzulenken.“
Foto: Vorarlberger Kinderdorf
Wortschatz für Gefühle
Wenn Eltern über ein großes Vokabular verfügen, um Gefühle zu benennen, helfe dies den Kleinen auf dem Weg zum emotional kompetenten Erwachsenen. „Manchmal ist aber das intuitive Elternverhalten gestört oder verschüttet, z. B. durch eine psychische Erkrankung oder unbearbeitete biografische Themen und Traumata“, so die Therapeutin. Sie betonte in diesem Zusammenhang die Wirksamkeit möglichst früher bindungsstärkender Angebote für belastete Familien. Programme wie „SAFE“ und „EPB“, die in Vorarlberg von „Netzwerk Familie“ angeboten werden, unterstützen Eltern beim Aufbau einer festen, tragfähigen Bindung zu ihrem Kind.
Bedürfnisgerechte Erziehung
Es sind die ersten frühen Erfahrungen in der Kindheit, die unsere Resilienz und Empathie fördern. Sie entscheiden darüber, ob wir uns später trauen, den Mund aufzumachen und für uns einzustehen, ob wir offen sind für die Welt, Widersprüche aushalten und mit Rückschlägen klarkommen können. Unsere Aufgabe und Verantwortung als Erwachsene ist groß, aber trotz allem gilt laut Anne Künster: „Der Anspruch ist nicht, perfekt zu sein, und vor lauter bedürfnisgerechter Erziehung in ein Burnout zu rutschen. Nicht jeder Wunsch ist ein Bedürfnis. Eltern müssen und dürfen auch nein sagen und Kinder in ihren Wünschen manchmal frustriert werden.“