Der Staat hat Schulden. Wo sparen? Bei der Bildung, den Unis, im Gesundheitswesen, der Altenpflege, dem öffentlichen Verkehr, der Mindestsicherung? Bitte nicht. Bei Steuerbegünstigungen für Diesel, Flugbenzin, fossiler Stromerzeugung schon eher. Aber das geht nicht – Traktorstreik. Also auf Vermögen zugreifen, jenes, das man erwischen kann.
Von Dr.iur. Albert Wittwer
Zunächst müssen wir vom Einkommen das Vermögen unterscheiden.
Nach Medienberichten hat Red Bull bei einem Umsatz von rund zehn Milliarden einen Reingewinn von zwei Milliarden und dreihundertachzig Millionen Euro erwirtschaftet. Davon sei an die im Ausland steuerwohnsitzhaften Eigentümer eine runde Milliarde als Dividende, also Einkommen überwiesen worden. Den Steuerakt kenne ich natürlich nicht – Steuergeheimnis! Aber immerhin sind offenbar trotz aller theoretisch möglichen Steuervermeidung im Konzern von der Republik 23 % Körperschaftssteuer, also wohl fünfhundert Millionen Euro eingehoben worden.
Etwas teurer ist die Kapitalertragsteuer, die dem kleinen Bargeld-Sparer abgezwackt wird, sie beträgt 25 %. Falls die Jugend, neudeutsch die Generation Z, doch beginnt, in Aktien anzulegen, zahlt sie von Dividenden und Verkaufserträgen weitere zwei Prozent mehr, nämlich 27,5 %. Die Generation Z sei ein Sorgenkind wegen ihrer Veranlagungsinkompetenz. Die Älteren hat man wohl aufgegeben. In Österreich ist der Anteil der aller Menschen, die Finanzvermögen besitzen mickrige 9 %. In China sind es 15 %, in den USA 60 %.
Jetzt droht den Eigentümern von Beteiligungen, Aktien, Geschäftsanteilen zusätzlich die Vermögenssteuer. Weil der Reichtum so ungleich verteilt sei. Bleiben wir bei Red Bull. Das Unternehmen ist nicht an der Börse notiert, also gibt es für die Geschäftsanteile keinen Marktwert. Das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital ist eine Hausnummer – wie wir spätestens vom Signa-Konzern gelernt haben. Wie also wird dieses Vermögen – wenn die Vermögenssteuer kommt – versteuert? Falls irgendeine Bewertung stattfindet, am besten durch eine bei den Bilanzprüfungen von Signa oder Wirecard gescheiterten, abgestürzten internationale Prüfgesellschaft, müßten die Eigentümer aus ihrem Vermögen irgendeinen Teil verkaufen, aus den Dividenden, also dem ausbezahlten Unternehmerlohn, kann man die kolportierten mehreren Prozent Vermögenssteuern in den meisten Unternehmen nicht stemmen. Wird der Gewinn im Unternehmen belassen, dient er regelmäßig der Investition, also der Zukunftssicherung des Unternehmens. Was die Besteuerung der Unternehmenssubstanz für das Geschäftsleben bedeutet, bleibt ein Geheimnis der Politik. Oder der Staat beläßt die Steuer im Unternehmen, er beteiligt sich „unbürokratisch“ an der Privatwirtschaft?
Ich denke, wir sind uns darüber einig, daß man die heimischen Elektromeister- und Zimmererbetriebe usw. in Ruhe lassen muß. Bleibt das sogenannte internationale Finanzkapital. Darauf hat die Republik – vielleicht dämmert es irgendwann allen Parteien – keinen Zugriff.
Ein Surrogat ist die Besteuerung des Unterschiedes zwischen Einstandskurs und Verkaufskurs bei den – seltenen, nämlich nur neun Prozent der steuerpflichtigen Inländer, die Aktien besitzt – falls sie ihre Veranlagung verkaufen. Oder auch nur umschichten.
Ähnlich funktioniert die sogenannte Wegzugsteuer für Österreicher, die ihren Hauptwohnsitz von, sagen wir Seefeld, nach Delaware, Liechtenstein, Nevada, London oder die Schweiz verlegen, weil sie hier zwar ihr Geld verdienen, aber ihr Einkommen – sh oben – niedriger als bei uns versteuern wollen. Und den exotischeren Steuerparadiesen nicht trauen. Hier ist offensichtlich eine Bewertung, wie im Falle der Erben von Mateschitz, die in die Schweiz gezogen sind, möglich und erfolgt. Und angeblich gestundet.
Im Vergleich zur Grunderwerbsteuer, die dem Staat erhebliche Einnahmen verschafft, ist die Grundsteuer mickrig. Die Preise des Immobilienmarktes haben mit den Einheitswerten, nach denen die Steuer erhoben wird, keine Ähnlichkeit. Die Eigentümerinnen der kleineren Wohnhäuser, der Wohnungen und die Berglandwirtschaft, die Eigenbedarf und bescheidene Einkommen sichern, sind in diesem Schachspiel die Bauern, auf daß die Großgrundbesitzer und Immobilienmoguln verschont bleiben. Der Zugriff auf diese großen, stillen Vermögen unter erheblichen Freigrenzen für die oben genannten Kleineren, die anders als „das Kapital, das scheue Reh“ nicht flüchten können, mit seriöser Grundsteuer wäre einfach. Der Einheitswert wird vom Finanzamt auf Antrag mit Bescheid festgestellt. „Er liegt in der Regel wesentlich unter dem Verkehrswert.“ (https://www.oesterreich.gv.at/lexicon/E/Seite.991072.html).
Noch einfacher für den steuerhungrigen Staat ist nur die fortgesetzte oder zusätzliche Besteuerung des sogenannten Mittelstandes, auf daß sich die Kluft zwischen wirklich Vermögenden und dem Rest weiter vergrößere?
Bleiben wir fiktiv bei Red Bull, nach der Formel von Marterbauer, wonach Vermögenssteuern, die (nur!) das reichste Prozent der Unternehmen bzw. Personen betreffen, also 99 % verschonen, pro Prozentpunkt des Steuersatzes einen Beitrag von einem Prozent zum BIP ergäben. (sh. Anm.) Eine Vermögenssteuer müsse also nicht bis in den Mittelstand gehen, wie auch IHS-Chef Holger Bonin bestätigte. Lenkbare Effekte ergäben sich auch anders. Eine solche Zusatzsteuer auf das (geschätzt bewertete) Eigenkapital von einem Prozent nach der Formel (Jahresgewinn x 7 = Kapital, abzgl. ein Drittel Darlehen = 10 Mia Eigenkapital; davon 1 %,) d.s. geschätzt 100 Millionen zusätzliche Steuer, könnte Red Bull tatsächlich aus dem jährlichen Gewinn verkraften.
Aber einfacher wäre es, die Körperschaftssteuer für die größten Unternehmen, die immerhin erst nach Abschreibungen und Rückstellungen zu bezahlen ist, um vier Prozent auf 27 % anzuheben. Es würden also an die Superreichen wohl etwas weniger Gewinnanteile ausgeschüttet. Aber die Absiedlung der Großbetriebe würde es zuverlässig nicht auslösen.
Anmerkung:
- Markus Marterbauer unter Verweis auf eine in den USA publizierte Formel, wonach Vermögenssteuern, die das reichste Prozent der Haushalte betreffen, pro Prozentpunkt des Steuersatzes einen Beitrag von einem Prozent zum BIP ergäben. Eine Vermögenssteuer müsse also nicht bis in den Mittelstand gehen, wie IHS-Chef Holger Bonin sagte. Lenkbare Effekte ergäben sich auch anders.
- „Steuern sind der Preis, den wir für eine zivilisierte Gesellschaft zahlen“, zitierte AK-Ökonom Markus Marterbauer den ehemaligen Richter am obersten US-Bundesgericht, Oliver Wendell Holmes…
- Denn die Reichsten tragen in Österreich wenig zum Steueraufkommen bei… Getreu diesem Motto sollten jene, die über mehr verfügen, auch anders zur Kasse gebeten werden. Es liege dann freilich an der Ausgestaltung der Steuergesetze, dass Steuerflucht vermieden werde. Gerecht sei eine höhere Besteuerung der Reichen auch, weil ihr CO₂-Ausstoß durch größere Autos, Flugreisen und Bodenverbrauch steige. …Je nach Modell könnten drei bis zehn Milliarden Euro mit Vermögenssteuern eingenommen werden, sagt Marterbauer unter Verweis auf eine in den USA publizierte Formel, wonach Vermögenssteuern, die das reichste Prozent der Haushalte betreffen, pro Prozentpunkt des Steuersatzes einen Beitrag von einem Prozent zum BIP ergäben.