Droht Radio L ein baldiges aus? Jürg Bachmann im Gespräch mit Gsi.News

Jürg Bachmann

Sollte die bevorstehende Volksabstimmung positiv ausfallen, droht Liechtenstein als einziges Land in Europa keinen öffentlich-rechtlichen Radiosender mehr zu haben. Dies wäre ein einschneidender Schritt für die mediale Landschaft des Landes. Nachdem der Landtag in seiner Sitzung vom Mittwoch, dem 4. September, das Initiativbegehren zur Aufhebung des Gesetzes über den „Liechtensteinischen Rundfunk“ abgelehnt hat, wurde die Regierung beauftragt, eine Volksabstimmung einzuberufen. Nun hat die Regierung den Termin für diese Volksabstimmung auf Sonntag, den 27. Oktober 2024, festgelegt.

Bandi Koeck von Gsi.News sprach mit Jürg Bachmann, seines Zeichens Verwaltungsratspräsident des Liechtensteinischen Rundfunks (LRF) und Präsident von KS/CS Kommunikation Schweiz (Dachverband der Schweizer Werbung).

Gsi.News: Herr Bachmann, werfen wir zuerst einen kurzen Blick zurück auf die vergangenen fünf bis zehn Jahre und betrachten die Situation retrospektiv. Wie treffend oder haltlos ist der Vorwurf seitens der DpL (Demokraten pro Liechtenstein), dass Radio Liechtenstein und somit auch Sie als Verwaltungsratspräsident Misswirtschaft betrieben haben?

Jürg Bachmann: Ich bin seit dem 01. Januar 2024 Verwaltungsratspräsident des Liechtensteinischen Rundfunks. Die Arbeit meiner Vorgängerinnen und Vorgänger will und kann ich nicht beurteilen. Ich habe früh festgestellt, dass immer grosse Erwartungen an Radio Liechtenstein herangetragen wurden, das Radio aber, um diese zu erfüllen, dauernd unterfinanziert war. So mussten im Landtag immer wieder Nachtragskredite beantragt werden, was der Reputation des Senders enorm geschadet hat. Es ist zu begrüssen, dass der Liechtensteiner Landtag diesen Sommer die Finanzierung des LRF neu geregelt hat. Der Sender soll während den nächsten vier Jahren pro Jahr 3,95 Mio. CHF erhalten. Das ist eine gute Basis für gutes Radio.

Gsi.News: Die Partei, die das bis dato staatliche Radiounternehmen anprangert, spricht primär von zu exorbitanten Kosten, welche sich auf knappe 4 Millionen Franken Steuergeld belaufen. Warum sind die in den letzten Jahren so drastisch angestiegen?

Bachmann: Als das Radio seinen Betrieb aufnahm, vor bald 30 Jahren verfügte es über ein Budget von ca. 4 Mio. CHF und machte damit ein gutes Programm. Allerdings waren die Werbeeinnahmen damals noch viel höher als in späteren Jahren. So rutschte Radio Liechtenstein von Jahr zu Jahr in eine immer schwierigere finanzielle Lage und musste vom Landtag gestützt werden. Zu den Kosten allgemein ist zu sagen, dass jedes Radio, ob gross oder klein, eine Grundinfrastruktur braucht, die kostet. Stündliche Nachrichten und regionale Informationen sind personalintensiv und kosten Geld, unabhängig davon, ob das Radio gross oder klein ist. Wenn ich mit schweizerischen Privatradios vergleiche, sind 4 Mio. CHF ein Betrag, mit dem sich solide Radio machen lässt, aber noch kein Rolls Royce.

Gsi.News: Viele Hörer und Bürger mögen sich daher fragen, ob es nicht einfacher wäre, wenn Sie mehr Werbung spielten und weniger Geld aus der Steuerkasse fordern würden?

„Radiowerbung hat unter Covid sehr gelitten und sich seither nicht bis auf das Niveau vor der Pandemie erholt.“

Bachmann: Ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen staatlichem und selbst erwirtschaftetem Geld wäre natürlich wünschenswert. Aber der Werbemarkt hat in den letzten Jahren massiv abgenommen. In der Schweiz gehen wir davon aus, dass bereits jetzt mehr als die Hälfte der Werbeausgaben auf internationale Plattformen ohne publizistischen Mehrwert abwandern. Ich gehe davon aus, das ist in Liechtenstein nicht anders. Zudem hat Radiowerbung unter Covid sehr gelitten und sich seither nicht bis auf das Niveau vor der Pandemie erholt. Wir werden unsere Anstrengungen aber ausbauen wollen am Werbemarkt wieder präsenter sein. Werbung gehört in ein Radioprogramm, weil es auch die Verbindung zwischen Radio, Gewerbe und Industrie sowie Hörerinnen und Hörern stärkt.

Gsi.News: Wenn die Volksabstimmung gegen Radio L geht, dann ist Liechtenstein das einzige Land in ganz Europa, welches über keinen staatlichen Radiosender verfügt. Ist dies ein Alleinstellungsmerkmal, auf das man stolz sein kann? Ähnlich wie beim Projekt FLACH etwa?

Bachmann: Sicher kann man nicht darauf stolz sein, wenn ein Medium verschwindet. Denn darunter leidet die Medienvielfalt und letztlich die Demokratie eines Staates. Es ist wichtig, dass Liechtenstein auch in Zukunft über ein Radio verfügt, das seine tagesaktuellen Aufgaben professionell wahrnimmt und erfüllt.

Gsi.News: Was geschähe dann in Krisensituationen, wenn es keinen Radiosender mehr gibt, würde man das Not-Studio im Landesführungsraum (LFR) unter dem Landtagsgebäude und Peter-Kaiser-Platz trotzdem weiterführen und quasi die Antenne aus dem Felsen hochschießen?

Bachmann: Diese Fragen muss die zuständige Behörde beantworten. Sicher ist, dass die Bevölkerung in ausserordentlichen Lagen so oder so auch über Rundfunk informiert werden muss. Radio Liechtenstein verfügt über die notwendige Kompetenz und es ist zu hoffen, dass es diese Funktion auch in Zukunft wahrnehmen kann.

Gsi.News: Was muss Ihrer Ansicht nach unternommen werden, damit Radio L gerade bei der Liechtensteinischen Bevölkerung wieder die Nummer eins wird und welche Vorteile hat dies gegenüber einer Privatisierung?

Bachmann: Die wichtigste Voraussetzung ist ein gutes Radioprogramm. Das informiert, unterhält und begleitet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Radios müssen an Anlässen gesehen werden und darüber berichten. Sie müssen an allen Bereichen des Lebens interessiert sein: an Politik, Sport, Kultur, Gesellschaft. Zudem braucht ein gutes Radioprogramm gute Musik und muss so positioniert sein, dass es seine Marke klar und deutlich kommunizieren kann.

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