Kaum hat der desiginierte Landeshauptmann verkündet, dass er eine Zweierkoalition „wirtschaftsfreundlicher“ Parteien bilden wird, verlangt die Vorarlberger Wirtschaftskammer, die Landesgrünzone zu verkleinern und Teile als Gewerbegebiete umzuwidmen. Das werde das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Nicht etwa das gesellschaftliche Wachstum, die Zunahme des Gemeinsinnes, der Hilfsbereitschaft.
Von Dr. Albert Wittwer
Mit einem semantischen Trick tun die Unternehmer so, als seien sie allein „Wirtschaft“, nicht etwa auch die Angestellten und die zahlreichen anderen Systempartner, Konsumenten, Pädagogen, das Gesundheitswesen, die Verkehrsbediensteten und –systeme, die stabile Rechtsordnung. Die Armut ist mehr ein Verteilungs- und weniger ein Wachstumsproblem.
Gewerbebrachen
Geht oder fährt man mit offenen Augen durch Vorarlberg, begegnet man zahlreichen Gewerberuinen, Gewerbebrachen. Die könnten entweder reaktiviert oder gar renaturiert werden. Renaturierung und Naturschutz sollten auf der politischen Agenda Vorrang haben.
Dosenlager
Eindrucksvoll kreativ ist die Idee, man könne in der Landesgrünzone „Sonderflächen für Betriebe“ widmen. Das hat der Verfassungsgerichtshof verworfen. Schon vergessen ist das verhinderte Dosenlager in der Landesgrünzone in Ludesch. Vermutlich sind noch einige „Betriebssonderflächen“ auf der grünen Wiese übrig. Also die Landesgrünzone, sie ist immerhin landwirtschaftlich genutzt, verkleinern. Wer braucht schon lokale Biokartoffeln. Besorgen wir sie in Polen!
Berufsverbot für Umweltsünder.
Im Narrativ der Ur-Vorarlberger Lösung des Wirtschafts-Wachstums liegt ein grober Systemfehler: Als wäre das Wirtschafswachstum nur zulasten der Natur zu haben. Als stünde der Mensch als ihr König ausserhalb der Natur. Als gelte für den Verbrauch der Natur Benthams engstirnige Nützlichkeit.
Die aber ist ein Irrtum. Die Natur ist nicht für uns gemacht und der Homo Sapiens, ist nicht (mehr) die Krone der Schöpfung, bloß ein überheblicher Mitbewohner.
Der einen großen Partei ist die Europäische Union lästig bis entbehrlich. Man beachte, dass der Nationalratspräsident beim Besuch des amtierenden ungarischen und zugleich EU-Ratspräsidenten die EU-Fahne vor dem Parlament hat abhängen lassen. Jetzt bringt die EU ein Berufsverbot für Umweltsünder ins Spiel. Das soll auch politische Amtsträger einschließen. Wie lange kann es gut gehen, ein Umweltdelikt durch Verordnung zu legalisieren?
Es geht auch anders: Symbiotische Beziehung
Die voralpine Landwirtschaft in ihrer extensiven Bewirtschaftung trägt zu beidem bei, zu Artenvielfalt und -schutz und köstlichen landwirtschaftlichen Produkten und zugleich ist sie Attraktion für Gäste, die in unseren Tälern nächtigen und durch die Berge wandern. So gewann der Sommertourismus Vorbildcharakter.
Die Führung des Gemeinwesens möge eine neue Aufklärung vertreten, die alles tut, die Natur zu erhalten und jeden einzelnen von uns durch Natur- und Artenschutz zugleich vor Katastrophen zu schützen.
Anmerkungen:
- Landesgrünzone verkleinern: https://epaper.vn.at/lokal/vorarlberg/2024/10/22/landesgruenzone-die-landesregierung-kann-sich-ein-denkmal-setzen.vn
- Betriebssonderwidmung rechtswidrig: https://www.vfgh.gv.at/downloads/pruefungsbeschluesse/VfGH_Pruefungsbeschluss_2023.11.30_E_2600_2023.pdf
- Ist die Grünzone ein bestehendes Schutzgebiet? Was, außer natürlicher Landwirtschaft, soll sie schützen?
- „Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege, BGBI. III 236/2002, idF BGBI. III 113/2005 (im Folgenden: Naturschutzprotokoll), das grundsätzlich unmittelbar anwendbar ist (vgl. VfSlg. 20.519/2021; Hautzenberg, Das Naturschutzprotokoll und seine unmittelbare Anwendung im österreichischen Naturschutzrecht, RdU 2013, 237). Art. 11 Abs. 1 Naturschutzprotokoll verpflichtet die Vertragsparteien, „bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern“ und „alle geeigneten Maßnahmen [zu treffen], um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden.“ 3.4. Bei einer Verkleinerung oder Aufhebung eines bestehenden Schutzgebietes ist das Interesse an dieser Änderung daher mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Naturschutzgebietes abzuwägen, insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 11 Abs. 1 Naturschutzprotokoll. Diese Interessenabwägung ist in den Verordnungsakten zu dokumentieren (vgl. VfSlg. 20.519/2021; Oberdanner/Starchl, Die Bedeutung des Art. 11 Abs. 1 Naturschutzprotokoll bei der Änderung von Schutzgebietsverordnungen, NuR 2022, 831 [834]; Schmid, Zum Bestandsschutz von Schutzgebieten (VfGH 15.12.2021, V 425/2020), in: Ennöckl (Hrsg.), Umweltrecht – Jahrbuch 2022, 191 [199]“