Reaktionäre Parteien, der Führer stets ein eher unflätiger älterer, „gestandener“ Mann mit dem „Herz am rechten Fleck“, gewinnen demokratische Wahlen. In den USA nach einem skurrilen Wahlsystem sogar die absoluten Mehrheiten. Finanziert von Oligarchen, die nachher bedient werden.
Von Dr. Albert Wittwer
Die politischen Kommentatoren sehen das Erfolgsrezept in der Verleugnung durchaus offensichtlicher Bedrohungen wie des Klimawandels und der Ursachen der konflikt- und armutsbedingten großen Migrationsbewegungen. Die Psychologinnen und Soziologen haben für die Realitätsverweigerung Erklärungen gefunden, die von den Wählern sorgfältig ignoriert werden. *)
Ein ebenso wichtiges, weiteres Motiv des Wahlverhaltens sei außerdem die Abgrenzung der „Normalen“ vom gebildeten Establishment und seiner Kulturszene. Diese selbstgefällige Elite sei woke und abgehoben.
…und in Teilen der Kulturszene
Es ist keine Frage, daß Jeder&Jede seine sexuelle Orientierung, unter Wahrung der Integrität seiner Partnerinnen und Partner, nach Belieben leben und ausleben können soll. Das (für mich langweilige, manchmal belästigende), wiederholte Auftreten der LGBTQIA-Szene im öffentlichen Raum bewirkt allerdings, sh. o., das Gegenteil. In allen autoritären Diktaturen dient diese offenkundig zur Schau getragene „Verderbtheit des Westens“ zur Begründung der eigenen, moralischen Überlegenheit und stärkt das Regime.
In der moralischen Überlegenheit liegt ein gemeinsames Merkmal der genderpolitisierten KünstlerInnen mit den Diktatoren:
Diese (meist) Künstlerinnen, eher Performerinnen, sind selbst oft neudeutsch vulnerabel oder voller Mitgefühl, Mitleid für die Diskriminierten, Geächteten, Marginalisierten, die angeblich, sh. die aktuelle Kunstszene, zu wenig gesellschaftlichen Respekt finden.
Robert Sapolski schreibt über das Leiden: „Wenn Sie sich vergegenwärtigen, was für ein Gefühl es wäre, wenn es Ihnen zustieße, sind Sie in den Vordergrund gerückt, und es geht nur noch darum, daß es schmerzt, den Schmerz des anderen zu fühlen…die Empathie bereitet uns ein gutes Gewissen, was uns verleiten kann, (sie) für einen Zweck an sich zu halten, statt für den Teil eines Prozesses … prosozial zu handeln.“ Also tatsächlich etwas gegen das Leiden zu tun, statt es zu bewirtschaften. **)
Voyeurismus sehe ich beispielsweise bei der weltbekannten Basler Malerin Miriam Kahn verwirklicht, die in gruseligen Bildern u.a. im Kunsthaus Bregenz mißhandelte Frauen in Übergröße zur Schau stellte. Während die Kriegsreporterinnen sich in Gefahr begeben, auf daß aktuelles Unrecht dokumentiert und beendet wird. Ich glaube nicht, daß irgendjemand der zahlreichen Kunsthausbesucher im Anschluß an den Ausstellungsbesuch für Frauenhäuser gespendet hat. Anders als die erheblichen Spenden zugunsten der überfallenen Ukraine.
Diskriminierungsverbot, Gleichbehandlungsgebot.
In der österreichischen Rechtsordnung sind nach meiner Wahrnehmung unter dem Schirm der Menschenwürde die in Frage stehenden Diskriminierungen durchwegs verboten. Ethisch fundiertes Recht kann aber im Bereich der Privatautonomie gefahrlos ignoriert werden. Etwa, indem ein bekennender Schwuler einen Gleichgesinnten statt einer besser qualifizierten Bewerberin anstellt. Oder umgekehrt. Dagegen ist auch durch bekennende Wokeness kein Kraut gewachsen.
Anmerkungen:
Beate Hausbichler und Noura Maan im Standard vom 16.11.2024:
…„Wokeness, oder „woke“ als Adjektiv, stand ursprünglich für ein „wachsames“ Hinschauen auf soziale Gerechtigkeit und Rassismus. In diesem Sinn verstand man es noch, nachdem 2020 ein weißer Polizist den Schwarzen George Floyd getötet hatte. Mittlerweile hat sich „Wokeness“ zum Kampfbegriff der Rechten entwickelt, die jede Forderung nach Gleichberechtigung als unzumutbare Übertreibung eines „woken Mobs“ anprangert…
…dass das Thema schwammig ist und niemand ganz genau oder klar sagen müsse, was gemeint ist. So können verschiedene Wählerinnen und Wähler darauf aufspringen. Von ganz rechts bis hin zur liberalen Mitte. Donald Trump habe im Wahlkampf viel Wirkmacht aus dem Anti-Wokeness-Diskurs gezogen…“
*) Im Wesentlichen: Kognitive Dissonanz;
**) Robert Sapolsky, Gewalt und Mitgefühl, Die Biologie des menschlichen Verhaltens, Piper 2021, S. 700 ff.