Podcasts sind in aller Munde und bei vielen Menschen äußerst beliebt, welche gerne mal während einer Autofahrt, auf dem Skilift oder beim Joggen hineinhören. Gsi.News-Gründer Bandi Koeck startete kürzlich mit seinem neuen Format www.derpodcaster.com und hat keinen geringeren als den bis über die Landesgrenzen bekannten Historiker, Kunsthistoriker und Geograf und ehem. Geschäftsführer und heutiges Ehrenmitglied der Rheticus-Gesellschaft Universitätsprofessor Dr. Gerhard Wanner auf seinem letzten Heimaturlaub auf der Bazora getroffen und ihm kritische Fragen gestellt – welche er allesamt in gewohnt offenherziger und charmanter Weise beantwortete.
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001 Der Historiker – Gerhard Wanner
Herzlich willkommen bei Bandi Koeck, der Podcaster. Heute mit einem ganz besonderen Gast und bekannten Vorarlberger Historiker, Professor Gerhard Wanner. Ich habe mich hier mit ihm auf der Bazora getroffen, oberhalb der Nebelgrenze.
Herr Professor Wanner, Gerhard, wir kennen uns schon seit vielen Jahren. Ich durfte auch die eine oder andere Vorlesung von Ihnen besuchen, von dir, besuchen. Es war immer sehr, sehr spannend und unvergessen. Du hast über 300 Publikationen in deinem bewegten Leben gemacht. Du warst Professor in Jekaterinenburg und an der Universität Pecz sowie an der Pädagogische Hochschule Vorarlberg. Du hast die Polizeischüler in Innsbruck – und nicht zu vergessen die Polizeischüler der Sicherheitspolizei in Feldkirch – 15 Jahre meines Wissens begleitet und geschult. Und jetzt bist du hier auf Heimatbesuch, weil du lebst ja seit einiger Zeit im schönen Ungarn. Wie geht es dir dort?
Ja, also als privilegierter Asylant lebe ich ausgezeichnet und das Verhältnis zwischen Forint und Euro ist ein sehr günstiges. Also ich lebe wie ein kleiner mittelalterlicher Feudalbesitzer im Ausland.
Ungarn ist für viele in Österreich, und da sind auch die Medien daran beteiligt, mit Viktor Orbán sehr umstritten, sei es die Flüchtlingspolitik, die Politik zur Europäischen Union. Wie erlebst du dort den Alltag? Wie ist es für Forschende, für Professoren, wenn sie sich auf Dinge fokussieren, die nicht wirklich dieser Politik entsprechen? Ja, also ich muss eines sagen, damit komme ich gut aus, ich werde nie über Politik diskutieren mit Ungarn, weil ich weiß, die Gesellschaft ist sehr gespalten und für mich ist es einfach nicht interessant, Menschen als Bekannte und Freunde zu verlieren, weil sie dem Orbán geneigt sind oder nicht. Natürlich mache ich mir mein Bild, aber es ist natürlich sehr unterschiedlich, ob ich dieses Phänomen historisch betrachte oder ob ich es aus moderner, politologischer, soziologischer Sicht sehe.
Und je nachdem bekommt man Verständnis für eine Angelegenheit oder auch nicht und dann kommt die eigene Ideologie dazu und je nachdem könnte ich unterschiedliche Antworten geben. Ich möchte vor allem eines verhindern, ideologisierende Aussagen zu machen, denn die sind immer einseitig. Was den Orbán betrifft, also mit wenigen Sätzen ausgedrückt, für mich ist er kein ungarischer Nationalist.
Der Nationalismus aus meiner Sicht ist nur das Feigenblatt für eine Persönlichkeit, die ausgesprochen machtorientiert ist und wenn man es jetzt psychologisch betrachten würde, Narzistoid ist, ich drücke das jetzt höflich aus, und der Nationalismus und Triano und alle diese Dinge sind fürs einfache Volk, Entschuldigung, einfach, die man damit zufriedenstellen kann. Anstelle der katholischen Kirche kommt wieder die ungarische Nation. Aber ich glaube, er nützt diese soziopsychologische Situation beinhart aus, um an der Macht zu bleiben und an der Macht zu sein.
Und ich glaube auch, dass sein Nachfolger oder Konkurrent, der Maillard, ebenfalls auf diese pseudo-nationalistische und für mich einfach im heutigen Europa doch etwas primitive Angelegenheit ist, wobei man meiner Meinung nach unterscheiden muss zwischen Nationalismus und Patriotismus. Ich bin auch ein Patriot, ein Vorarlberger Patriot, deswegen bin ich aber noch kein nationalistischer Österreicher. Ja, absolut, genau.
Aber das ist so quasi der Zeitgeist mit Ungarn, also da kann man das ungarische Volk abholen, wenn es um Nationalismus geht, Nationalstolz, sind da wirklich alle dabei, kann man das sagen? Das ist ja kein Einheitsbrei, oder? Ich bin da sehr vorsichtig. Und wenn man die Wahlergebnisse ansieht, ich meine, bevor Orbán an die Macht kam, war der größte Teil sozialdemokratisch oder links. Ich denke, der Großteil der Ungarn sind rein pragmatisch-utilitaristisch.
Brot und Spiele wie bei den Römern, wer mir mehr liefert, dessen Freund bin ich. Und wenn der nichts mehr zu geben hat, dann schwenke ich um, und wenn es sein muss, bin ich dann darüber überzeugt, dass der Brüsseler, weil von dort die Milliarden kommen. Also das ist meine Sicht.
Dass es Nationalisten gibt, das ist klar, das gibt es in jedem Land, das ist heute ein Trend, aber was ich nicht mag, ist, wenn man von den Ungarn spricht, und von den Vorarlbergern, das sind einfach ganz triviale, lächerliche Vereinfachungen, die für einen Stammtisch geeignet sind. Aber meiner Meinung nach sind sie völlig deplatziert. Wir werfen einen Blick auf Russland.
Wladimir Putin, seine Politik, Ukraine, Krieg, leider immer noch nicht beendet. Wer ist Putin im Vergleich zu Orbán? Gibt es da Parallelen? Ja, ich würde vielleicht sagen, der Unterschied ist der, die Russen waren eigentlich immer auf der Siegerebene, und die Ungarn immer auf der Verliererebene. Das heißt, die Traumatisierung der Russen hat einen völlig anderen Grund, wie die Traumatisierung der Ungarn.
Wobei man natürlich gewisse Parallele hat. 1918 verliert ja Ungarn im Vertrag von Trianon die sogenannten ungarischen Gebiete in der Slowakei, in Siebenbürgen und dort. Und die Russen verlieren nach Gorbatschow die ganzen Randgebiete, die muslimischen Staaten im Süden, die ganzen Balkanländer.
Also beide haben sie in jüngster Vergangenheit Gebietsverluste erlebt, wie natürlich ihren Stolz, ihre Würde. Aber jetzt die Despoten, Putin und Orbán, gibt es da Parallelen? Sind das beide narzisstisch oder narzistoid? Also Orbán ist kein Despot. Das ist ein Mini-Absolutist, der ein Möchtegern.
Und wahrscheinlich hat er sich daher den Putin als Vorbild genommen. Aber man kann in Ungarn ein freies Leben führen. Ich habe an der Universität in Petsch gesagt, was ich wollte.
Es ist mir nichts passiert. Ich bin sogar ausgezeichnet worden, obwohl ich ketzerische Reden gehalten habe. Du kommst in Ungarn nicht in einen Kulak und du wirst nicht abgeschossen in der Luft.
Also das kann man einfach nicht vergleichen. Ungarn ist immer noch ein demokratischer Staat. Und Orbán sagt mit Recht, ja was wollt ihr in Brüssel? Ich bin ja vom ungarischen Volk ganz legitim gewählt worden.
Ja bitte, soll man dann die Demokratie abschaffen? Ja. Er kann damit ständig argumentieren. Und Putin? Was macht Putin? Es hat ja mit der Krim angefangen, oder? Es gibt da auch wiederum zwei verschiedene Situationen.
Man darf nicht vergessen, dass die Ukraine ein Staat ist, der erst im Jahr 1920, ja auch Zusammenbruch 1920, 1921 entstanden ist. Dass vorher der Khrushchev, glaube ich war es, die Ukraine praktisch so als autonomes Gebiet geschaffen hat, um ihm entgegenzukommen. Aber die Kernzelle, die historische, ist ja nicht Moskau, sondern das ist Kiew.
Das vergisst man. Es ist das staatliche Zentrum, es ist das religiöse Zentrum. Von dort hat sich die ganze orthodoxe Kirche ausgestrahlt.
Und das war natürlich ein Staat, der sich davon, aus machtpolitischen Gründen, dass das eine schwierige Sache ist. Und ich glaube, der große Fehler von Putin war der. Die Europäische Union war in der Zeit relativ schwach.
Die Krim hat man ohne große Probleme dem Herrn Putin überlassen. Und ich denke, er hat sich unglaublich geirrt. Er hat gedacht, wir fahren mit unserer Armee da am Rande auf und dann fahren wir in Richtung Kiew und die Ukrainer werden sich freuen.
Endlich kommt der Befreier wie der Hitler 1938 in Österreich. Die Österreicher haben sich zu Tode gefreut wegen dem Adolf. Und was ist in die Hose gegangen? Er hat nicht damit gerechnet, dass es zu dieser starken, entwickelten ukrainischen Identität kommt, die ihm bewaffneten Widerstand entgegengesetzt hat.
Ich glaube, er hat gedacht, es wird kein Kreuzzug, wie er jetzt ist, sondern ein Siegeszug, beliebt von den meisten Ukrainer. Und als er dann gesehen hat, der Krieg beginnt, er kann nicht mehr zurück. Kaum, wenn er nicht sein Gesicht verliert.
Und er ist natürlich auch ein Machtmensch. Vielleicht hat er das sogar von den Tirolern gelernt. Er war ja jahrelang Skifahrer und Karl Schwarz war auch ein Machtmensch.
Ich sehe das sehr differenziert. Aber sind jetzt nicht die Russen das Hauptproblem der Geschichtlichkeit? Wenn man sagt, der Urgroßvater hat gegen die Russen gekämpft, der Großvater hat gegen die Russen gekämpft und der Vater wieder unter auch? Ich habe immerhin 10 Jahre in Russland gelebt und in allen Schichten und Klassen. Und ich kann sehr oft sagen, mein Vater war bei der SS und Gestapo in Russland ein Killer.
Ja, so war es. Und ich habe nie Ressentiments gegen Österreich oder Deutschland gehört. Für mich sind die Russen, wenn sie nicht gerade verführt werden, ein friedliebendes Volk, das halt auch missbraucht wird.
Und wenn ich heute Tausende von Nordkoreanern holen muss und die Kriminellen aus dem Gefangenhaus rauslassen muss, damit jemand in der Ukraine nicht kämpft, wo ist dann da die große vaterländische, heldenmütige russische Armee? Die wollen da alleine kämpfen, und es ist denen scheißegal, solange sie ihre Produkte kriegen. Ich komme ein bisschen wieder zurück in die Heimat. Kürzlich hat Vorarlberg gewählt und davor auch Österreich.
Was sagst du dazu? Ist das für dich ein Rechtsruck mit dem Sieg der FPÖ? Und wenn man das auch europaweit anschaut, diese eher rechtsgerichteten Parteien, wenn der Begriff rechts überhaupt passend ist, wie siehst du das als Historiker? Also wo ich ganz persönlich und privat die Hauptaversion gegen die FPÖ hätte, für mich, ganz klar, das ist die Europa-Frage. Also da wäre ich beinhart, weil ich bin in erster Linie ein Europäer, dann bin ich ein Vorarlberger und dann bin ich ein Österreicher. Der Vorarlberger vor dem Österreicher, wohlgemerkt, oder? Richtig.
Dieser Höhepunkt der Weltgeschichte, dieses vereinte Europa, mit diesem Recht, mit dieser Toleranz, mit dieser Vielfalt der Kulturen, das ist in der Weltgeschichte einmalig. Da können sich auch die Amerikaner verstecken und was auch immer. Und wer dieses Europa infrage stellt, wegen ein paar egoistischer, narzisstischer, taktischer Gründe, da kann ich nicht mehr mit.
Das ist meine Hauptfrage. Der selbsternannte Volkskanzler Kickl, Vokacki kurz genannt, das ist ja ein Begriff aus der NS-Zeit, den Sie da bedienen, wie steht es um den? Wenn wir jetzt gerade den Orban hatten, den Putin, jetzt nehmen wir noch den Kickl dazu, gibt es da parallel vielleicht, oder? Ich muss sagen, ich habe mich mit dem Herrn Kickl noch nicht intensiv beschäftigt und wenn man sich nicht im Detail mit einem Problem auseinandersetzt, meiner Meinung nach sollte man auch keine Meinung dazu abgeben, außer die Meinung ist halt Walter Wiese. Ich meine, Kickl ist nicht Österreich.
Das ist genau wie mit dem Putin und mit dem Orban. Wenn heute der Orban 28% der Stimmen hat, dann sind so und so viele gegen den Orban. Und das kann man nicht sagen, alle Ungarn sind jetzt Anhänger vom Orban, weil er aufgrund des Wahlsystems und des Mehrheitswahlsystems eben, wenn er 28 oder 30% hat, kann er die Regierung führen.
Ja, kommen wir zu deiner wirklich wundervollen Wissenschaft in Arbeit. Du bist ja immer noch aktiv tätig in der Forschung. Erzähl uns bitte, was sind die aktuellen Projekte des Prof. Wanner? Ja, also was aktuell ist, Feldkirch feiert ja 100 Jahre Eingemeindung, Großfeldkirch und bis vor kurzem noch Geschäftsführer von Rettekus.
Ich habe immer noch gute Verbindungen dazu und ich habe übernommen, ein Lieblingsthema von mir, ich war der erste Historiker, der das an einer Universität in Österreich unterrichtet hat, die Frauenfrage. Ich untersuche, welches war die Rolle an der Frauen in Großfeldkirch zwischen 1918, dem Kriegsende, wo sie dann das allgemeine Wahlrecht bekommen, 1919 bis zur Eingemeindung 1924. Hat sich da im Rollenbild der Feldkircherinnen und der Altenstädterin irgendetwas geändert? Das ist eine interessante Frage.
Sehr spannend, ja. Das hat man noch nie untersucht. Das ist natürlich auch Jugend.
Das ist Jugendpolitik, das ist Ehepolitik, denn die Frau hat ja mit all diesen Dingen zu tun. Also auf das freuen wir uns schon, was da herauskommt. Die traditionellen Rollenbilder, die sich geändert haben.
Meine Mama hat das ja noch randlich miterlebt. Ich bin ja mütterlicherseits ein ganz alter Feldkircher. Meine Mama ist ja Tiroler Geschlecht.
Kurz noch, es gab gerade die letzte Stadtvertreter-Sitzung. Da kam eben die Frage auf, wie zeitgemäß ist es noch, Ortsvorsteher für die ganzen Feldkircher Ortsteile zu haben. Das ist vor allem von den Grünen wieder ein Thema geworden.
Der Bürgermeister hat sich wieder vertröstet, dass es aktuell so bleiben wird, wie bisher. Die bekommen ja alle ein Gehalt dafür, für ihre Arbeit. Es sind auch Frauen dabei, zum Beispiel in Nofilz weiß ich.
Und wie siehst du das? Sie sind jetzt wieder einmal vertröstet worden vom Bürgermeister. Ist das noch etwas, was es braucht? Oder kann man sagen, das digitale Amt, das kann man zentralsteuern vom Rathaus aus? Meine Vorstellung, ich bin ein Europäer, aber auch Europa, die ganze Globalisierung, führen dazu, dass die Menschen immer weniger klare Leitbilder und Lebenssinn sehen. Ich glaube, es ist ausräumlich wichtig, was eben auch in Ungarn fehlt, der ein ausgesprochener Zentralstaat ist.
Man soll den Menschen möglichst eine persönliche, beeinflussbare Identität geben. Und auch die, die eine Individualität ist. Ich wäre für die Ortsvorstehung deswegen, weil hier kann der Einzelne Bezug nehmen.
Er erlebt sein Haus, seinen Garten. Und wenn etwas von verkehrt gemacht wird, wir haben im Prinzip das ähnliche Problem, wie in den USA. Die Elite, die hockt da, die Beamten und die Administrativen.
Und der Trump freut sich auch, ich unterstütze euch da draußen irgendwo. Ich würde das nicht abschaffen, es kostet nicht viel Geld. Die Menschen können miteinander reden, beeinflussen, sie haben die Politik.
Es ist auch Politik, wie ich die Wäsche aufhänge. Es ist sogar Politik, wenn ich das Klosettpapier verwende. Recyceltes oder ein anderes.
Ich wäre dafür, dass man diese Ortsvorsteher noch belässt. Und die dann zusammenkommen und im Konsens, der ja ein wichtiger Grundlagenfaktor für die Politik ist, dann die Entscheidung trifft. Natürlich, viele Entscheidungen sind zentralistisch besser steuerbar.
Aber warum entweder oder dieses verdammte europäische Denken immer in Polaritäten? Denk mal ein bisschen chinesisch oder buddhistisch sowohl als auch. Es besteht kein Zwang, das aufzulösen. Außer, dass ein paar Zentralisten sagen, was soll man mit der Nazis in den Rahr fangen? Das kann ich nicht beurteilen.
Du hast mir gerade ein Stichwort gegeben, den möchte ich gerne dabei haben. Donald J. Trump. Das ist ja übernächste Woche im Amerika-Wahlkampf.
Wer ist Trump? Jetzt hatten wir die anderen drei. Kikl, Putin und Orban. Und dann würde mir Trump noch gut in die Reihe passen.
Beim Trump muss ich mich zusammenreißen, dass ich nicht emotional werde. Und zwar emotional im negativen Sinne. Sie sollen aus mir nicht Schimpfwörter herauslocken.
Das ist unfair und ein Historiker. Ich kann ihn verstehen, ich kann auch die Republikaner verstehen, aber meine Heimat ist das nicht. Und ich kann nur eines sagen, ich formuliere es jetzt positiv, ich würde sogar mit der Kandidatin auf Wahlwerbung gehen und dir sogar ein Defile hochgeben.
Schön diplomatisch ausgedrückt, danke. Dann kommen wir zurück ins Ländle. Das Thema war Frauen.
Das ist eine Forschung, die gerade passiert und die Publikation ist auf 2025 geplant. Nächstes Jahr. Es kommt eine Festschrift heraus.
Sehr gut, bei Rheticus. Aber du bleibst Rheticus trotzdem noch treu? Ich bin immer noch im Vorstand. Ob der Vorstand, er hat mich vor zwei Tagen empfangen im Kulturreferat.
Ich nehme an, ich bin auch vorstandsfähig. Sehr schön. Vielleicht eine abschließende Frage, Gerhard.
Du bist jetzt da, die Sonne scheint, wir sind oben im Nebel, wie eingangs erwähnt. Verspürst du eine Art Heimweh nach Vorarlberg? Du bist ja doch ein sehr überzeugter, blühender Vorarlberger neben dem Europäer. Ungarn habe ich jetzt nicht rausgehört, weil du doch schon sehr lange am Balaton bist.
Wie ist das, wenn du hierher kommst, kommst du immer wieder gern zurück oder bereust du den Schritt, nach Ungarn ausgewandert zu sein? Das ist eine schwierige psychologische Frage. Mir fehlt in Ungarn einfach absolut nichts. Schön.
Und ich habe auch lange Beziehungen zu Ungarn, also schon Universität und so. Das klingt ja wie Österreich-Ungarn, oder? Monarchisch. Im Jahr 1956 mit meinem Freund, als die Sowjets einmarschiert sind in Ungarn, wollte ich in die Gamperdona als Partisan.
Wir haben bereits Waffen gehabt, nach dem Zweiten Weltkrieg, und wir glaubten ja damals, dass die Sowjets einmarschieren würden, weil ja Tausende, Zehntausende von Ungarn aus Österreich geflüchtet sind, sogar die Grenze verletzt wurde, und man hat damals erwartet, die Sowjets werden auch nach Österreich einmarschieren. Und mein Freund und ich, wir waren in der LBA, Lehrerbildungsanstalt, heutige pädagogische Hochschule, wir haben Schießübungen gemacht, und in Kürbuk in der Gamperdona hätten wir als Partisanen gegen die Vaterländischen, Sowjetischen. Ernsthaft? Ja, Wahnsinn. Ich brauche immer ein paar Zeit, bis ich da wieder in Vorarlberg, dieser Welt, ich habe Heimatprobleme.
Okay, wie sind die zu verstehen? Es ist eine gewaltige Psyche. Ich muss dir ein Beispiel eines Traumes sagen, ein Traum, der mich lange Zeit verfolgt hat. Ich bin zwischen den Bergen, hohen Bergen, aber ich will unbedingt ins Tal hinunter, in die Ebene, in die Weite, in die Freiheit.
Ungarn, oder? Ja. Also, ich gehe hinunter und wandere hinunter, auf einmal gehört die Straße auf und endet im Abgrund. Immer derselbe Traum.
Ich will hinunter nach Ungarn und ich komme nicht hinunter, weil die Person da lässt mich nicht. Sie lässt dich nicht los in dem Fall. Nicht los und nicht rein.
Und jetzt seit neuester Zeit gehe ich vom Tal hinauf in die Berge und freue mich in den Bergen. Genau umgekehrt, oder? Also das psychische Problem hat sich mittlerweile gelöst. Sowohl als auch.
Und nicht entweder oder. Schön. Ich danke dir herzlich für dieses Gespräch.
Ich freue mich auf die nächsten Publikationen und wünsche dir alles Gute. Vielen Dank, Professor Gerhard Wanner.