Der aktuelle Absturz der Bewertung der Aktien der börsennotierten Unternehmen auf der ganzen Welt macht – anders als manche Redakteure glauben – nicht nur die Reichen ärmer. Er betrifft auch die Leute, die gar keine Aktien besitzen. Die Ursache des Absturzes liegt ja darin, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Betriebe, der Absatz behindert wird. Das wirkt sich auf die Angestellten der Betriebe aus, die gekündigt oder schlechter entlohnt werden. Und die Gewinnerwartung sinkt, was Aktienverkäufe auslöst. Zugleich wird bei den Kunden der Kauf, der Konsum eingeschränkt und verteuert.
Von Dr. Albert Wittwer
Dass ein Kurseinbruch „Vermögen vernichtet“ ist Unsinn. Es geht vorerst nur um die Bewertung – solange nicht verkauft wird. Vernichtet wird allerdings ein Teil des Lebensstandards der Werktätigen und der Konsumenten, wie oben erwähnt. Beides trifft gleichermaßen auch die amerikanische Bevölkerung wie die ihrer Handelspartner. Und die Menschen die auf eine Pension oder Zusatzpension aus einem stets aktiendominierten Pensionsfond angewiesen sind. Die werden in Österreich statt der früheren Abfertigung aus Gehaltsnebenkosten gespeist.
- Der aktuelle Börsensturz ist mit den früheren nicht wirklich vergleichbar. Die Schwächung der Wirtschaft und damit der Kurse im Zuge der Corona-Krise war ja kein Willkürakt. Sie musste zuerst mit Anstrengungen aller Länder bewältigt werden.
- Auch nicht die große Finanzkrise des Jahre 2008, die durch einen unregulierten amerikanischen Immobilienmarkt und einen ebenso unregulierten Finanzsektor ausgelöst wurden. Die Hausaufgaben weltweit, nämlich Kreditrichtlinien für Immobilienkauf und die Eigenkapitalunterlegung der Darlehensgewährung durch die Banken sind erledigt.
- Der Al-Kaido-Terror mit den Anschlägen auf die Twin-Towers führte zu großen Kurseinbrüchen und einer Börsenschließung, ist aber durch das Eingreifen der Finanzbehörden rasch stabilisiert worden.
Die aktuelle Wirtschaftskrise wird – ganz anders als die vorigen – also durch einen alten Mann ausgelöst, der mit einem Filzstift Präsidialdekrete demonstrativ mit einer sehr großen Unterschrift ziert. Niemand zwingt ihn dazu. Jeden Tag könnte der die Zoll-Verfügungen abändern oder ganz aufheben.
Es erschließt sich mir nicht, was er wirklich damit bezweckt. Das Gefasel von der Wahrung amerikanischer Interessen und Größe ist ja inhaltsleer. Interessant wäre, ob er als Privatperson auf fallende Kurse gesetzt hat. Vielleicht hat er auch privat Kryptowährung verkauft, als er erklärte, die USA würden einen Teil der Reserven in Kryptowährung anlegen, was bei den treuen Gläubigen zum Kauf und einer Krypto-Kurssteigerung führte. Die Ankündigung hielt er nicht ein, es handelt sich nur um aus Delikten beschlagnahmte Krypto-Portfolios, auf vielleicht ein rechtlicher Zugriff der USA, also eine Verwertung zugunsten der öffentlichen Kassen, einmal möglich sein kann. Die Zeitgeschichte wird uns Zuseher eines Tages belehren, worin – abseits aller Skurrilität – die ziemlich sichere persönliche Bereicherung bestand.
Dass die Institutionen der Vereinigten Staaten von Amerika diese Willkürakte zulassen, sprengt nicht nur meine Vorstellungskraft. Die Verfassungsväter des „Spirit of 1776“ konnten das nicht vorhersehen – und die USA haben es einerseits verabsäumt, die Verfassung zu reformieren. Andererseits ist der alte Mann, der sich im Wahlkampf nicht verstellt hat, gewählt und wiedergewählt worden. In einem insgesamt doch demokratischen Verfahren.
Bert Brecht glaubte noch, „eine Demokratie hat keine besondere Führung nötig“. Das war aber lange vor allen Reality-Shows und vor allem vor den Internetbasierten sozialen Medien, wie immer sie heißen mögen.
Wir alle, die nicht mit Derivaten (Put-Optionen) auf fallende Kurse spekuliert haben, werden also ein bisschen ärmer. Vielleicht nützt es der Natur, dem Klima, unserem Zusammenhalt. Dann sind wir noch lange nicht arm.